Commissaire-Llob 1 - Morituri
erwarten. Als ob ein trojanisches Pferd in die Moscheen eindringen würde … Weißt du, ich bin weder Polizist noch Journalist; ich bin Kaufmann, kho.«
»Hast du Vermutungen über den Mord an Mourad?«
»Tausendundeine Vermutung, Mourad war ein Schürzenjäger. Er stieg den Jungfrauen ebenso nach wie den Ehefrauen. Logisch, daß er einen Haufen Neider hatte.«
»Hat er dir nie von einem gewissen Abou Kalybse erzählt?«
»Brauchte er nicht. Abou Kalybse ist der Emir, der gerade ,in’ ist. Seine Plakate sind überall angeschlagen. Man sagt, daß er nur auf die Intellektuellen losgeht.«
»Hat Mourad ihn gekannt?«
»Hör mal, kho, habt ihr etwa vor, hier zu übernachten? Ich hab noch andere Dinge zu tun. Mourad hat mir nicht alles gesagt. Er ist in erster Linie gekommen, um Eindruck zu schinden. Es machte ihm keinen Spaß, es sich gutgehen zu lassen, wenn ich nicht dabei war. Ich für meinen Teil gehe kein Risiko ein. Ehrlich währt am längsten.«
»Abou Kalybse … Beantworte einfach nur meine Frage.«
Omar zuckt mit den Achseln, leckt sich ausführlich die Lippen und klappert mit seinen Ringen auf dem Ladentisch.
Dann besinnt er sich: »Mourad kannte ihn, soviel ist sicher. Er sagte oft: ,Bei Abou Kalybse ist jedes Gramm Hirn Gold wert Weiter hat er mich nicht ins Vertrauen gezogen … Ist das jetzt genug, kho? Ich habe sowieso schon alles ausgepackt.«
Ich danke ihm und bitte Serdj vorzugehen. Ehe der Inspektor seine Hand auf den Türgriff legt, drehe ich mich nochmal um zum Cousin aus der Bronx.
»Ein einziger Nachtrag, und dann laß es gut sein. Was wird eigentlich im Limbes Rouges gespielt?«
Seine Wangenknochen beben.
»Die schönste Frau auf Erden kann auch nur geben, was sie hat. Es gibt Tabus. Die sind unantastbar. Ich habe ein Kind, und ich hänge an ihm.«
»Hast du etwa Schiß?«
»Oh ja. Ich mach mir fast in die Hose, wenn du es genau wissen willst. Der letzte Idiot, den man in dieser Bar antrifft, kann mehr Gewicht in die Waagschale werfen, als ein Kran je aufheben könnte.«
»Ist doch seltsam. Der Emir der Kasbah hat dort als Tellerwäscher geschuftet und Didi als Rausschmeißer. Dann Mourad, Brahim Boudar … Was ist das für ein Laden? Etwa eine Terroristenschmiede?«
Omar schluckt. Er sieht nicht so aus, als fühle er sich wohl.
Er knurrt: »Ich muß schließen. Ich war kooperativ und nett, kho. Jetzt schießt in den Wind.«
14
Ein seltsamer Traum hat mich die ganze Nacht hindurch verfolgt. Ich bin über eine staubige Piste gerumpelt. Mir war kalt, und der Mond zerlief wie Camembert auf meiner Windschutzscheibe. Die Bäume, die düster und zerlumpt dastanden, wandten sich ab, wenn ich vorbeikam. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich fuhr. Zwei glanzlose Augen beobachteten mich aus dem Rückspiegel heraus.
An einer Brücke stoße ich auf eine Unzahl von Fundamentalisten mit knielangen Bärten. Bewaffnet bis zu den Zähnen. Alles weist mir den Weg in einen Wald, wo sich zwischen den Baumstämmen dickbäuchige Menschenfresser drängen.
Mit einem Mal taucht im Licht meiner Scheinwerfer ein Goliath auf, mit einer Axt, noch größer als mein Entsetzen. Im selben Moment schnellen die Augen aus dem Rückspiegel heraus und kommen mit unheimlichem Brummen auf mich zu, als wollten sie die meinen verschlingen.
Da habe ich laut aufgeschrien … Mina ist bis an die Decke gesprungen.
»War nur ein Alptraum«, habe ich sie zu beruhigen versucht.
Sie ist gleich wieder eingeschlafen. Und ich habe mit brennendem Herzen Minute um Minute heruntergebetet, bis zum Ruf des Muezzins.
An diesem Morgen hat mich Lino nicht abgeholt. Eine Stunde habe ich am Fenster auf ihn gewartet, wie versteinert, in der Kehle eine Vorahnung, daß es einem den Magen umdreht.
Ein Nachbar ist so freundlich, mich beim Kommissariat abzusetzen. Bliss wartet schon am Eingang auf mich, er ist quittegelb im Gesicht. Ich begreife sofort, daß ein Unglück geschehen ist.
»Serdj ist als vermißt gemeldet«, schmettert er mich nieder.
Meine Abteilung wirkt wie ein Sterbezimmer. Baya schnieft mit aufgedunsenen Lidern in ein Taschentuch. Der Amtsdiener blickt drein wie ein Totengräber. Die Polizisten in Uniform lauschen betrübt den Zivilbeamten.
Bei meinem Eintreten verstummen alle. Lino sitzt aufgelöst hinter seiner Schreibmaschine, das Kinn in den Händen vergraben, den Blick ins Leere gerichtet.
»Was ist mit ihm passiert?«
Bliss antwortet: »Der Kommandant der 13. Brigade hat uns gemeldet, daß Serdjs
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