Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Fotos, schüt-
telt den Kopf. „Die kenne ich nicht.“
„Sieh sie dir gut an.“
„Ich bin nicht kurzsichtig.“
„Und der da, der dritte von links?“
„Kenne ich nicht.“
„Der heißt Gaïd Ali, genannt der Friseur. Ist dein
Nachbar.“
„Schon möglich. War’s das?“
„Dein Auto haben wir wiedergefunden.“ (Er
springt nicht gerade an die Decke aus Freude über
eine Kiste, die immerhin 80 Millionen wert ist.)
„Mit den Fingerabdrücken deines Nachbarn drauf.“
„Was willst du? Heutzutage ist auf keinen mehr
Verlaß.“
„Dein Auto wurde von den Mördern von Profes-
sor Abad Nasser benutzt.“
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Ebensogut hätte ich einem Mullah schöne Augen
machen können. Er begnügt sich damit, intensiv
ein Glas zu betrachten.
„Ich habe den Diebstahl angezeigt. Es lag an
euch, weitere Maßnahmen zu treffen. War’s das
dann?“
„Für den Augenblick schon.“
Ewegh beugt sich von neuem über den Tresen.
„Ich heiße Ewegh Seddig, und ich habe nichts
von einem barmherzigen Samariter an mir. Du
kannst deinen schlechtrasierten Kumpels einen
schönen Gruß bestellen: ich werde ihnen ein Fest
ausrichten, bei dem ich ihnen nichts, aber auch gar nichts schenken werde.“
Der Wirt nickt verächtlich: „Wenn dus sagst, Di-
no.“
Ich habe keine Zeit mehr, den Schicksalsschlag
zu verhindern. Die Targifaust zuckt blitzartig vor.
Den Wirt schleudert es gegen die Wand, und wo
eben noch sein Gesicht war, ist jetzt ein Puzzle.
„Ewegh“, verbessert der Bulle, „nicht Dino. Soll-
test du dir merken.“
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Man nehme eine Mumie, wickle sie neu, und schon
hat man eine Vorstellung von dem Typen, den ich
in Zimmer 33 in der Klinik Sidi Mabrouk vorfinde.
Ist ganz schön heruntergekommen, Athmane
Mamar. Vor nicht allzu langer Zeit hätte das
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kleinste Wehwehchen die halbe Stadt um ihn her-
um auf die Beine gebracht. Und heute ist es schon
viel, wenn ihm einer überhaupt mal Fieber mißt.
Wie er da auf seiner stinkigen Pritsche liegt, an
einen Vitamintropf gefesselt, neben sich beutegei-
ergleich eine Krankenschwester, erweckt Athmane
Mitleid. Als er mich hereinkommen sieht, zuckt ein
zerknirschtes Lächeln über sein Gesicht.
„Na, wie geht’s, du wundersam Erretteter?“
Er ruckelt heftig inmitten seiner Verbände und
röchelt. Ich bitte ihn, ruhig zu bleiben, und pflanze mich mit einer Pobacke auf die Bettkante.
„Du siehst aus wie eine Wurst in Klopapier“, er-
öffne ich ihm.
„Hilf mir lieber, mich aufzusetzen.“
Ich richte ihm sein Kissen mit derselben Um-
sicht, wie sie ein Sprengmeister beim Entschärfen
einer Bombe an den Tag legen würde. Er dankt mir
mit einem Kopfnicken. Die Krankenschwester hört
mit ihrem Getue auf und läßt uns allein.
Ich lasse meinen Blick durchs Zimmer wandern,
auf die Mauern, die in scheußlichem Grau gekalkt
sind, den Nachttisch, den die Überreste eines ärm-
lichen Mahls besudeln.
„Blumen hat dir wohl keiner mitgebracht.“
„Noch sind wir nicht auf meiner Beerdigung.“
„Attentat?“
„Unfall.“
„Was ist passiert?“
„Ein schlecht isoliertes Kabel. Mein Betrieb hat
schneller als ein Strohballen Feuer gefangen. Ich
hatte noch nicht mal Zeit, mich in Sicherheit zu
bringen.“
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„Das hättest du als Attentat verkaufen können.
Würde dein Prestige aufmöbeln, und später hättest
du Anspruch auf den Märtyrerstatus.“
„Habe ich mir auch schon überlegt, aber ich hatte
Angst, die, die mir früher mal in den Arsch gekro-
chen sind, dadurch auf dumme Gedanken zu brin-
gen.“
Athmane und ich kennen uns seit den Siebzigern.
Wir waren damals beide militante FLN-Aktivisten,
ich aus Vaterlandsliebe, er aus Geldgier. Er war der Liebling von Algiers High Society und häufte Privilegien an wie eine alte Nutte die Pariser.
Er seufzt. „Du bist nur gekommen, um dich an
meinem Unglück zu weiden.“
„Unrecht Gut gedeiht nicht gut. Alter Spruch, a-
ber so gut wie neu, hab ich dir schon früher gesagt.
Doch es gehört nicht zu meinen Hobbys, mich am
Mißgeschick anderer zu ergötzen, wenn du es ge-
nau wissen willst.“
Er dreht sich von mir weg.
Jenseits des Fensters, das ein Vorhang aus
Spinnweben verschleiert, ducken sich die Hoch-
häuser unter einer schwärzlichen Dunsthaube. Ge-
reizt rempeln sich die Wolken an, während ein
feiner Regen auf die Scheiben trommelt. Es ist
noch nicht achtzehn Uhr und schon Nacht in Al-
gier.
„Was willst du, Llob?“
Ich knalle ihm
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