Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Löcher
im Jackett.
Wie ein Pharao an der Spitze seines Imperiums
ergeht Dahmane Faïd sich in den Tiefen eines den
Besucher frustrierenden Büros, im Mund eine Zi-
garre und zu seinen Füßen die Welt. Er ist unför-
mig und kahlköpfig, im frömmlerischen Gesicht
ein Stoppelbart, zwischen den Fingern eine Ge-
betskette. Das Klirren der Bernsteinperlen tröpfelt mit der Regelmäßigkeit eines tödlichen Tick-Tack
in die Stille, zwingt meinem Puls den Rhythmus
auf und läßt meine Speicheldrüsen versiegen.
„Nehmen Sie Platz, Derrick!“ dirigiert er mich
schleunigst zu einem Sessel, um mir nicht die
Hand drücken zu müssen.
Ich versinke in einem Fauteuil, der so weich ist,
daß ich das Gefühl habe, mit allen vieren in der
Luft zu hängen.
„Sie haben exakt drei Minuten!“ fährt er mich an.
„Mein Terminkalender quillt über.“
Seine Brutalität weckt in mir Lasttierinstinkte. Im Nu gerät mein Herz aus dem Takt, und in meinen
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Eingeweiden beginnt es zu rumoren. Natürlich war
ich als alter Hase auf einiges gefaßt und hatte das traute Tête-à-tête mit ihm gefürchtet. Jetzt stelle ich fest, daß ich trotz meines unausrottbaren Pes-simismus weit hinter der Realität zurückgeblieben
bin.
„Es geht um Ben Ouda“, falle ich mit der Tür ins
Haus.
„Ich denke, der ist tot und begraben.“
„Genau. Und eben dem Grund für sein vorzeiti-
ges Ableben bin ich auf der Spur, Monsieur Faïd.
Der Verstorbene war ein Freund von Ihnen …“
„Diese Formel hat im Börsenjargon einen unan-
genehmen Beigeschmack“, schneidet er mir das
Wort ab und bläst mir den Rauch ins Gesicht.
„Ich nehme es zur Kenntnis, Monsieur. Also: was
bedeutete er Ihnen im Rahmen Ihres Gesamtumsat-
zes?“
Er schätzt auch meine Neuformulierung der Fra-
ge nicht. Sein linker Wangenknochen bebt. Er
glaubt offenbar, daß ich meinen Auftritt gründlich
vorbereitet habe.
„Das war kaum der Rede wert.“
„Konkret?“
Er schaut demonstrativ auf die Uhr.
„Er hatte ein wenig Kleingeld. Ich habe es gegen
eine Beteiligung für ihn angelegt.“
„Scheint, daß Sie beide in heftigem Streit ausei-
nandergegangen sind.“
„Das ist so üblich bei Geschäftsbeziehungen. Ben
hatte es auf das größte Stück vom Kuchen abgese-
hen und wollte nicht begreifen, daß sein Gebiß
dafür nicht taugte. Er war bankrott gegangen und
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wollte noch mal bei Null anfangen. Aber Nullen
leihe ich kein Geld. Da hat er die Tür zugeknallt
und ist gegangen.“
Ich mache „hm“, versuche, das Hämmern meines
Herzens zu bändigen und frage tollkühn: „Wußten
Sie, daß er an einem Buch arbeitete?“
„Ich bin kein Verleger.“
„Er hat Ihnen nicht davon erzählt?“
„Das einzige Buch, das für mich zählt, ist das, in
dem meine Zahlen stehen, Derrick.“
„Ich habe Gründe anzunehmen, daß er wegen
dieses Buches umgebracht wurde.“
„Wenn es Ihnen Spaß macht.“
Seine wulstigen Lippen ziehen sich um die Zigar-
re zusammen. Ich versuche, seinem Blick standzu-
halten, es gelingt mir nicht.
Dahmane Faïd ist milliardenschwer. Er braucht
nur einmal kurz zu niesen, wenn er die Republik
aus den Angeln kippen will. Seine Taschen quellen
über vor Abgeordneten, und die Behörden fressen
ihm aus der Hand. In den Jahren des Heils, zur Zeit der Einheitspartei, hatte er ein Vetorecht auf alle Regierungsprogramme und erlaubte sich, Justiz-und Verwaltungsbeamte ein- und abzusetzen, ohne
auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Jeder
Kandidat, gleich auf welchem Gebiet, der seines
Segens nicht teilhaftig war, hatte nicht mehr Aus-
sichten, behalten zu werden, als eine Lektion in
Staatsbürgerkunde, wenn man sie einem Vandalen
erteilt. Soviel ich weiß, ist seine Diktatur bis heute ungebrochen.
„Mal im Ernst“, rülpst er los, indem er leicht auf
seine Zigarre klopft, „was läßt Sie vermuten, daß
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Bens Tod mit seinem Buch zusammenhängen
könnte? Er hat einen Haufen Bücher geschrieben,
eins verdrehter als das andere, und niemanden hat
das je gekümmert. Die Leute sind ausgehungert,
Derrick. Sie versuchen, sich irgendwie durchs Le-
ben zu schlagen, statt sich die Existenz mit blöd-
sinnigen Theorien zu erschweren. Ben war ein
Liebhaber hübscher Jungs. Er verbrachte mehr Zeit
damit, hinter knackigen Ärschen herzulaufen, als
darauf zu achten, wem sie gehörten. Sein Harem
quoll über vor Junkies und Gestrandeten, vor Gau-
nern und Psychopathen. Ich persönlich
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