Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
bis in die Arme mei-
ner Frau hinein.“
„Verstehe. Das letzte Mal, als er dich besuchen
74
kam, war er völlig außer sich.“
„Er hatte gerade pleite gemacht. Logisch, daß ei-
nen das nicht zu Jubelstürmen hinreißt.“
„Deine Alte hat erklärt, daß der Milliardär Dah-
mane Faïd von dir verlangt hätte, dem Diplomaten
nicht aus der Patsche zu helfen. Hast du all die
Anrufe gekriegt, weil du dich über seine Anwei-
sungen hinweggesetzt hast?“
„Ich bin doch niemandes Diener!“
„Warum wollte Faïd denn unbedingt verhindern,
daß Ben Ouda wieder auf die Beine kam?“
„Das fragst du ihn am besten selbst.“
„Weißt du, daß Alla Tej, dein Gärtner, dich im
Auftrag des Milliardärs ausspioniert hat?“
„Ich habe ihn dafür bezahlt, sich um meinen Gar-
ten zu kümmern.“
„Es scheint dich aber nicht zu wundern.“
„Eben. Das ist doch der Beweis, daß ich immun
gegen das alles bin.“
„Mit mir spielt er jeden Abend Scheherazade. Er
hat mir so einiges erzählt. Zum Beispiel, daß Pro-
fessor Abad Nasser dich nach dem Mord an Ben
Ouda aufgesucht hat.“
„Na und? Er war der Bruder meiner Frau.“
„Aha!“ Allmählich wird es interessant.
Ich hieve meinen Allerwertesten aufs Bett und
schiebe mir das Kopfkissen unter die Schenkel, um
eine leichte Muskelzerrung auszugleichen.
Athmane Mamar rollt seine Karre bis an die
Wand zurück und wirft mir einen bösen Blick zu.
Ich zünde mir eine Zigarette an und fasse zu-
sammen:
„Ist doch seltsam, diese Kettenreaktion, findest
75
du nicht? Ben Ouda, der eine Woche, nachdem er
bei dir war, einen Kopf kürzer gemacht wird. Dann
der Professor. Dann dein Betrieb, der in Flammen
aufgeht, und du fast mit. Dann dieser alles ver-
schlingende Einfluß von Faïd. Dazu Alla, auf den
man überall stößt. Das läßt nur zwei Schlüsse zu:
entweder du bist es, der das Unglück über deine
Freunde bringt, oder du steckst mit ihnen zusam-
men in der Scheiße.“
„Du bist zu lange bei der Polente, Llob.“
„Ich habe das Gefühl, diesmal ist das keine Paw-
low’sche Reaktion. Ich habe nur meine Archive
konsultiert. Alles weist darauf hin, daß ich den
Finger auf ein kolossales Ding gelegt habe.“
„Dann laß ihn mal nicht zu lange da liegen, wenn
du einen Rat willst. Sonst kannst du hinterher vielleicht nicht mehr dran lutschen.“
„Ich habe ja noch neun andere.“
„Ist nicht genug.“
Ich blase den Rauch über meine Fingernägel und
gebe ihm ein Scherzrätsel auf: „Weißt du, warum
das Pferd seinen Weg mit dicken Pferdeäpfeln
säumt?“
„Nein.“
„Weil es keine Windelhosen mag.“
„Ich kann dir nicht ganz folgen.“
„Ist das nicht der Beweis, daß ich kein Hosen-
scheißer bin?“
Ich sehe ihm fest in die Augen, um ihn daran zu
hindern, sich wegzudrehen.
„Was geht hier vor, Athmane?“
Er reibt sich nervös am Handrücken, kratzt den
Schorf ab, ohne es zu merken.
76
Nach langem Schweigen belebt sich sein Blick
und er sagt: „Da gibt es Neider, die wollen verhin-
dern, daß mein Unternehmen aufblüht. Mit der
Öffnung der Märkte platzen alle Schleusen. Und
die Flut schwemmt jeden fort, der keinen festen
Anker hat. Jeder versucht, Raum zu gewinnen,
seinen Einfluß auszudehnen, seinen Aktionsradius
zu erweitern. Das ist der Kampf um die Investitio-
nen. Jeder torpediert jeden, aber es ist nicht eigentlich unfair.“
„Glaubst du wirklich, du kannst mich mit diesem
Gefasel überzeugen?“
„Ich hab’s immerhin versucht.“
Ich zücke den Notizblock, den ich mir von Lino
ausgeliehen habe, tue so, als checke ich meine
Aufzeichnungen durch, halte inne auf einer Seite,
die betrüblich weiß ist, und sage auf gut Glück:
„Ben Ouda und der Professor haben sich durch
dich kennengelernt.“
„Nicht durch mich, höchstens bei mir. Sie hatten
dieselben Neigungen.“
„Zum Beispiel?“
„Junge Männer und Bücher.“
„Das steht auch in meinem Notizblock. Scheint,
daß sie sich prächtig verstanden.“
„War wohl eher so, daß sie das gleiche Leiden
plagte.“
„Wie wär’s, wenn du mir zur Abwechslung was
über HIV erzähltest?“ überrumpele ich ihn.
„Haifau? Nie gehört! Was soll denn das sein?“
Voller Schuß ins Ofenrohr!
Ich wiege nachdenklich den Kopf hin und her.
Ein Laster donnert vorbei und bringt meine Wut
77
erneut auf Touren.
„Zeit für Ihre Spritze, Monsieur Mamar“,
kreischt die Krankenschwester und rempelt
Weitere Kostenlose Bücher