Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
weit mehr, um
diese Stufen da zu überwinden.“
Sie kichert. Ein Lüftchen spielt in den diversen
Ausschnitten ihres Gewands. Madame Athmane
hat doch tatsächlich ihr Höschen auf dem Nacht-
tisch vergessen. Sie tänzelt weiterhin auf der Stelle, bis ich auf ihrer Höhe ankomme. Ihre durchschei-nende Hand greift nach der meinen, zieht mich zu
sich heran. Ihr Parfüm steigt mir zu Kopf, und ich
habe Mühe, ihn zwischen den Ohren zu behalten.
Sie schleppt mich in ein luxuriöses Schlafgemach
und schubst mich auf einen Diwan.
„Ich habe mit angehört, was Sie und mein Mann
geredet haben.“
Sie geht vor einem Messingtablett in die Knie,
schenkt mir eine Tasse Kaffee ein. Als sie sich
umdreht, blüht ihre Korsage auf, und gleich wer-
den die festen braungebrannten Brüste ihr über die
Arme kullern.
„Meinem Mann geht es nicht gut. Der Rollstuhl
zermürbt ihn. Er war ja ständig unterwegs.“
„Ich kenne ihn seit einer Ewigkeit.“
„Mag sein, doch der Mann, der da unten herum-
stolpert, ist nicht der, den Sie gekannt haben. Er
leidet und denkt, er sei am Ende. Ich hoffe, es ist nicht zuviel verlangt, wenn ich Sie darum bitte, ihn nicht zu verstören. Er hat schon versucht, seinem
Leben ein Ende zu setzen.“
„Das tut mir leid. Das wußte ich nicht.“
Sie kommt wieder hoch und läßt sich auf der
Bettkante nieder. Ein erbsengroßer Schönheitsfleck
prangt dekorativ auf ihrem rechten Oberschenkel.
Es gelingt mir nicht, den Blick abzuwenden.
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Der ihre wird weich.
„Auch wir machen auf unsere Art die Hölle
durch, Monsieur Llob. Der Luxus, der uns umgibt,
schirmt uns nicht gegen die Unbill der Außenwelt
ab. Wir leiden an der nationalen Tragödie ebenso
wie die anderen. Es ist grausam, dem Martyrium
des eigenen Landes beiwohnen zu müssen.“
„Daran zweifle ich nicht, Madame. Es muß in der
Tat hart sein, seinen Gartengrill auf verbrannter
Erde anwerfen zu müssen.“
Sie scheint unzufrieden. Ihre Hand macht sich
auf die Suche nach einem Zipfel des Kleides, das
sich sehr weit nach oben verirrt hat, und zieht es
auf ihre Knie herunter.
„Es scheint, daß Sie reiche Leute nicht leiden
können, Monsieur Llob.“
„Nicht alle … Danke für den Kaffee.“
Sie umklammert mein Handgelenk, um mich am
Aufstehen zu hindern.
„Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen,
Monsieur Llob. Mein Mann ist Geschäftsmann. Im
Geschäftsleben gibt es nur ein einziges Mekka: die
Börse. Und eine einzige Glaubensregel: Profit,
Profit, immerzu Profit. Da unterdrückt man schon
mal seine Skrupel. Man ist gezwungen, Schmier-
gelder zu zahlen, seine Ellenbogen zu gebrauchen.
Aber alles hat seine Grenzen. Und mein Mann
weiß, wo die seinen sind. Er ist Patriot. Er hat die Interessen seines Landes immer über seine eigenen
gestellt.“
Mein höhnisches Lächeln entgeht ihr nicht. Jetzt
verabscheut sie mich.
„Was ich sagen will, Monsieur Llob: wir haben
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unseren Betrieb nicht in Brand gesetzt, um die
Versicherung zu kassieren. Man hat schlicht und
ergreifend versucht, meinen Mann zu ermorden,
wie man schon meinen eigenen Bruder, Professor
Abad, hingerichtet hat. Weil wir uns weigern, bei
den Intrigen derer mitzuspielen, die unserem Land
Schaden zufügen wollen. Ich weiß nicht, worum es
dabei genau geht. Mein Mann vertraut sich mir
nicht an. Aber ich bin eine Frau, und ich habe Au-
gen im Kopf!“
Wie schön für sie!
Ich stelle die Tasse ab und stehe auf. Sie unter-
nimmt nichts mehr, um mich zurückzuhalten. Un-
sere Augen tasten sich ab, befehden einander. Ich
tupfe mir die Lippen mit einem Taschentuch tro-
cken und bemerke impulsiv, im vollen Bewußtsein
meiner Taktlosigkeit, für die ich keinerlei Recht-
fertigung finde: „Sie sollten sich ein wenig bede-
cken, Madame. Es gibt nichts Schlimmeres als eine
Sommergrippe.“
Ihre Gesichtszüge entgleisen. Ich fühle, wie ihr
Haß mich durchbohrt.
Sie steht nicht auf, um mich hinauszubegleiten,
sondern bleibt auf dem Bett sitzen, so starr wie
eine Königskobra. Wie sie da sitzt, das jagt mir
eine Gänsehaut über den Rücken. Wenn ihr Be-
nehmen auch nicht die Feindschaft rechtfertigt, die ich für Leute ihres Standes hege, so liefert es doch den Hauptgrund dafür, weshalb ich ihnen weder
Vertrauen noch Sympathie entgegenbringe.
Die kühle Frische, die das Blattwerk verströmt,
vermag nicht die Glut des Blicks zu mildern, der
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mir den Rücken versengt. Ich stelle mir Madame
Athmane
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