Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
Vom Netzwerk:
Seiten auf den Tank zu. Ich renne schnell zu
    einem Erdhügel, um dahinter in Deckung zu gehen.
    Die Wucht der Explosion schleudert mich ins Ge-

    151
    sträuch.
    In der Ferne gellen die Sirenen der Einsatzkom-
    mandos. Auf der Straße herrscht wilder Tumult.
    Ich höre Männer brüllen und Frauen schreien. Ein
    Dutzend Fahrzeuge sind zusammengekracht. Über-
    all rennen Leute herum.
    Jetzt erst sehe ich das Blut auf meinem Hemd.
    Ein Glassplitter hat mich am Handgelenk geritzt.
    Weiß Gott die geringste meiner Sorgen. Ich bin
    zufrieden mit mir: Es ist mir gelungen, das Wild
    aufzuscheuchen.

    16

    Es ist das Unglück wilder Horden, daß, sobald ei-
    ner aus ihrer Mitte plötzlich Feuer unterm Hintern
    hat, die ganze Horde in Panik ausbricht und sich
    ihm an die Fersen heftet, bereit, ihm in den Ab-
    grund zu folgen.
    Am nächsten Tag bekomme ich einen Anruf von
    Capitaine Berrah. Er erwarte mich im Haus Num-
    mer 9 der Cité du Beau Plaisir, einem paradiesi-
    schen Flecken, nur ein paar Kabellängen von Sidi
    Fredj entfernt. Es ist eine Anschrift, die uns in einen verschwiegenen Winkel entführt, diskret hinter
    einem Wäldchen versteckt. Die Villa, um die es
    geht, liegt im Herzen einer Lichtung, kokett und
    nett anzusehen mit ihrem blauen, kunstvoll behau-
    enen Stein und ihren Efeuhäubchen. Ein vergolde-
    tes schmiedeeisernes Gartentor führt in einen Hof
    152
    mit alten Steinplatten, eingerahmt von grünen
    Tuffs, die zurechtgestutzt sind wie die Schädel der Punks.
    Ich parke den Wagen neben einem italienischen
    Marmorbrunnen, den eine steinalte, unverkennbar
    aus einem spanischen Fort geklaute Kanone be-
    wacht. Der Capitaine begrüßt mich von der Veran-
    da aus. Sein Kinn deutet auf einen Mercedes hin,
    der zur Hälfte in einer Garage steckt.
    „Ist er das?“
    „Jedenfalls dasselbe Nummernschild.“
    „An den Sitzen klebt Blut.“
    Er bemerkt den Verband um mein Handgelenk.
    „Hoffentlich nichts Schlimmes?“
    „Ist nur um anzugeben.“
    Er lacht schnaubend, und ich folge ihm ins Innere
    des Palais. Über eine Treppe, die mit rotem Tep-
    pichboden ausgelegt ist. Ein paar Geheimdienst-
    agenten sind schweigend dabei, alles zu durchsu-
    chen.
    Der Bosco sitzt zusammengesackt in einem Di-
    wan, mit eingefallenen Schultern und dem Kinn
    auf der Brust. In seinem Nacken klafft ein Krater.
    Aus dem aufgeplatzten Fleisch schaut ein zer-
    trümmerter Wirbel hervor, und im Rücken verklebt
    ein geronnener Blutstrom das Hemd. Neben seinen
    Füßen liegt ein Glas am Boden; sein Inhalt hat sich über den Teppich ergossen und beim Verdunsten
    eine gelbliche Spur hinterlassen.
    „Er wurde abgemurkst, als er sich gerade einen
    kleinen Ricard genehmigte“, sagt der Capitaine.
    „Auf der Rückenlehne des Diwans sind Pulverspu-
    ren.“

    153
    Man hat ihn hinterrücks umgelegt, aus nächster
    Nähe. Damit hat der Bosco nicht gerechnet. Sein
    Gesichtsausdruck hält für alle Zeiten sein Erstau-
    nen fest, das so groß wie kurz gewesen sein muß.
    „Das hier haben wir in seiner Tasche gefunden“,
    ergänzt der Capitaine und wiegt einen Schlüssel in
    der Hand. „Keine Papiere, kein Geld.“
    Es ist ein Schlüssel der Marke Fiochet-Bauche
    aus Gußaluminium, der an einer drei Zoll großen
    Metallplatte mit einer Nummer auf der einen, ei-
    nem Logo auf der anderen befestigt ist.
    „Sagt dir das Logo irgendwas?“
    „Es ist das einer Firma, die auf den Einbau von
    Tresoren spezialisiert ist. Sie versorgt exklusiv die Schließfächer von Bahnhöfen und Flughäfen. Die
    Firma hat mir eine Liste ihrer Kunden zur Verfü-
    gung gestellt.“
    „Eine Diskette hatte er natürlich nicht bei sich!“
    „Hätte mich gewundert.“
    „Mich auch.“
    Wir knöpfen uns als erstes den Hauptbahnhof
    vor, als nächstes die Busbahnhöfe. Wir brauchen
    drei Stunden, um zu des Pudels Kern vorzustoßen,
    den wir im Untergeschoß C des Flughafens finden.
    Der Schlüssel dreht sich butterweich im Schloß,
    die Tür vom Schließfach springt auf, und zum Vor-
    schein kommt ein brandneuer lederner Aktenkof-
    fer.
    „Sieh erst mal nach, ob er nicht vermint ist“,
    weist der Capitaine einen der Spezialisten an.
    Nach der Beendigung des Routine-Checks holen
    wir den Koffer heraus. Wie ein Fausthieb trifft
    mich als erstes inmitten eines Wusts von Kassetten, 154
    Akten und Papieren der Anblick eines sorgfältig
    gebundenen Manuskripts, auf dessen Einband in
    fetten roten Lettern geschrieben steht: H-IV.

    Der Capitaine und seine Spezialisten

Weitere Kostenlose Bücher