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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Renault J-5 in Hafennähe aufgefunden wor-
    den ist. Unbemannt. Ich nicke ihm dankend zu. Er
    grüßt unbeholfen und zieht ab.
    „Ewegh* [* Stößt in „Doppelweiß“ zu Llobs Team, Angehöriger des Volks der Tuareg] ist gar nicht da!“ bemerke ich.
    „Der ist unten geblieben.“
    „Und wieso?“
    „Was weiß ich? Der ist aus Granit. In den schaut
    keiner rein. Wenn du meine Meinung wissen
    willst, die Art, wie sie dich verabschiedet haben, ist 97
    ihm übel aufgestoßen. Er redet zwar nicht drüber,
    aber seit er Wind von deiner Entlassung gekriegt
    hat, ist er irgendwie seltsam.“

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    Hadi Salem hat mich zu sich ins Büro bestellt. Ich
    bin nicht gerade an die Decke gesprungen. Er ist
    exakt von der Sorte, der man am frühen Morgen
    gerne aus dem Wege geht, wenn man noch was

vom Tag haben will. Aber er kann sich rühmen, ein
    dicker Freund von Slimane Houbel aus der Déléga-
    tion zu sein. Er hat sein Sultanat am Ende der Rue
    des Trois-Horloges installiert, im letzten Stock-
    werk eines finsteren Gebäudes ganz in der Nähe
    eines wimmelnden Souks. Da der Aufzug den Ho-
    noratioren vorbehalten ist, nehme ich ohne zu mur-
    ren die hundertzehn Stufen bis zum Schafott auf
    mich.
    Auf dem Gang stellt sich mir eine Art Gefäng-
    niswärterin mit Hijab* [* Arabisch: „Schleier, Kopfbede-ckung“ – Das traditionelle Gewand der iranischen Frauen hat in den letzten Jahren durch die Islamisten als Ausdruck starker Religiosität auch Einzug in Algerien gehalten, wo es im Gegensatz zur Vielfalt der regionalen Trachten steht.]
    und Brüsten groß wie Airbags in den Weg, kontrol-
    liert meine Papiere und schiebt mich unsanft bis
    zum Chef des Sekretariats vor sich her. Der ver-
    staut, als er mich kommen sieht, flugs etwas in
    98
    seiner Schublade. Erst als er merkt, daß mein ver-
    schlissener Anzug nicht eben der Kleiderordnung
    der hohen Tiere entspricht, kehrt wieder Frieden in sein Habichtsgesicht ein. Mit einem Fingerzeig
    verabschiedet er meine Wärterin und weist mir
    einen Platz auf einem Metallstuhl an, der speziell
    für zufällig des Weges kommende Underdogs da-
    steht.
    „Sie haben sich verspätet, Monsieur Llob.“
    „Wie die ganze Nation.“
    Er findet meinen Vergleich nicht sehr komisch
    und macht sich daran, in ein Heft zu kritzeln, um
    mir weiszumachen, hier werde schwer geschuftet.
    Ich greife nach meinen Zigaretten. Sofort zeigt er
    auf ein Rauchverbotsschild. Ich füge mich und
    verschiebe die Luftverschmutzung auf später.
    Der gute Mann hört auf zu kritzeln und lehnt sich
    zurück, um sein Geschreibsel in Augenschein zu
    nehmen. Zufrieden beugt er sich wieder vor und
    versenkt sich erneut in seine Hieroglyphen, wobei
    er bei jedem Großbuchstaben die Zunge in den
    Mundwinkel klemmt.
    Allmählich wird mir die Zeit lang. Ich wende
    meine Aufmerksamkeit den Möbeln zu. In der E-
    cke ein Tresor, ein durchgesessenes Sofa neben
    einer vorhanglosen Fenstertür, ein chinesischer
    Aschenbecher auf einem Beistelltisch und an der
    Wand – vermutlich ein Familienporträt –, ein ange-
    staubtes Stilleben mit Birnenkorb.
    „Hat Monsieur Salem Besuch?“

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    Ohne den Kopf zu heben, deutet er mit der Blei-
    stiftspitze auf die Wanduhr. Es ist dreizehn Uhr
    dreißig.
    „Ach, er ist noch nicht da?“
    Sein Stift schwenkt herum und weist mich auf ein
    rotes Lämpchen links über der Polstertür hin.
    „Würd’s Ihnen was ausmachen, mir ein Licht
    aufgehen zu lassen?“
    „Es ist die Stunde des Dohr, Monsieur Llob.
    Monsieur Salem verrichtet sein Gebet.“
    Meine Zudringlichkeit hat seinen Inspirationsfluß
    gehemmt. Er liest seinen Text, findet nicht mehr in den alten Schwung zurück, reißt das Blatt heraus,
    zerknüllt es und befördert es in einen überraschend leeren Papierkorb.
    Feindseliges Schweigen macht sich zwischen uns
    breit. Zwei Minuten später fällt ihm seine Schubla-
    de wieder ein, er holt eine Tasse Kaffee daraus
    hervor, stellt sie vor sich hin und entdeckt eine
    kleine Küchenschabe in der braunen Brühe. Gelas-
    sen taucht er einen Finger zur Rettung des Tier-
    chens hinein und schnipst es kraftvoll einmal quer
    durch den Raum.
    Das Licht wechselt von Rot auf Grün. Ohne die
    geringste Eile an den Tag zu legen, drückt der Sek-
    retär auf einen Knopf und kündigt mich an.
    „Lassen Sie ihn herein.“
    Hadi Salem sitzt im Schneidersitz auf seiner Ge-
    betsmatte, ähnlich einem Frosch auf seinem see-
    grünen Blatt. Er hat alles so inszeniert, daß ich ihn 100
    mitten in

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