Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
spielen, herumstromern.
Frustriert machte sich Mazan zur Kapelle der Büßer auf. Wenn sich etwas Neues ergäbe, würde er es dort erfahren. Doch dort war auch niemand. Das Museum selbst geschlossen.
Missmutig ließ Mazan sich mitten im Hof auf die Seite fallen und fegte unruhig mit dem Schwanz über die blank getretenen Steinplatten. Doch mit einem Mal spitzte er die Ohren.
Was war das für ein Laut?
Ein klagender Ruf, voller Süße und Sehnsucht.
Er richtete sich auf, lauschte. Da, wieder. Ein kleines Zittern durchlief ihn. Tief in seinen Eingeweiden spürte er ein Ziehen, das aus seiner Unruhe einen Aufruhr machte.
Als erneut der Ruf erklang, erkannte er nicht nur, wer ihn ausstieß, sondern auch, was er bedeutete.
Manon!
Ihre Zeit war gekommen.
Irgendwo in einem Garten oder auf einem Rasen saß sie und rief ihn. Und eine Kraft in ihm wollte ihr mit aller Macht antworten. Er machte ein paar Schritte, blieb stehen. Er sollte hierbleiben, denn falls etwas passierte, musste er rasch reagieren.
Was soll denn schon passieren?
Lieutenant Zadira, was, wenn ihr Gefahr drohte?
An einem Sonntag, inmitten all der Menschen. Sei nicht albern.
Aber wenn …
Hörst du sie denn nicht rufen? Du bist der einzige Kater in der Stadt, der diesen Ruf noch versteht. Geh! Geh zu ihr!
Zögernd näherte er sich der Pforte. Später, wenn es dunkel war, würde er wieder aufpassen. Jetzt aber …
… musste er …
… der Ruf …
… so schön …
… so schön …
Der Mistral hatte endlich nachgelassen. Die Frühabendluft war mild, wie frisch gewaschen. Zadira zog sich Handschuhe an und schloss Haus Nummer 9 mit Victorines Schlüssel auf.
Sie wollte es noch einmal mit unvoreingenommenem Blick durchsuchen. Sie musste dringend etwas finden, was ihre Mattia-Theorie stützte, um den Fall wieder aufrollen zu dürfen.
Zadira blieb im Flur stehen und sah sich um. Die rote Stofftapete mit eingestickten Jagdszenen, ganz ähnlich dem Paravent im Château de Mazan. Kerzenhalter an der Wand, Pfauenfedern in Vasen, dezent-frivole Zeichnungen.
Bislang war sie zu sehr davon ausgegangen, dass diejenigen, die das Diner veranstaltet hatten, auch Julies Mörder sein mussten. Sicher war ihr dadurch etwas entgangen, ein Hinweis, der ihr helfen könnte, Mattia auf die Spur zu kommen.
Mit diesem Gedanken betrat sie den Salon. Hier war Julie gezwungen worden, nackt zu bedienen. Hier war der Vertrag gelesen worden. Sie erinnerte sich an den Passus: Die Stipendiatin ist befugt, zu jedem Zeitpunkt so viele Liebhaber gleich welchen Geschlechts zu haben, wie sie will. Sie ist jedoch verpflichtet, den Vertragspartnern Priorität einzuräumen (Besuche, auch unangemeldet, Bankette, Reisen u. Ä.).
Zadira zog einen Stuhl vom Tisch zurück und setzte sich.
»Oh, nein, Ihre Beine dürfen Sie aber nicht schließen, Mademoiselle Roscoff«, murmelte Zadira.
Nach kurzer Zeit hatte Julie sicher gemerkt, dass ihre Blöße in den Augen der anderen etwas Natürliches war.
So fängt es an.
Bewunderung. Eleganz. Versuchung.
Um dann Schritt für Schritt, Lächeln für Lächeln, näher an den Abgrund gelotst zu werden.
Zadira war derart in Gedanken versunken, dass sie zusammenzuckte, als ihr Handy vibrierte. Es war Dr. Hervé, die Forensikerin.
»Lieutenant, ich habe die DNS-Analysen der Tatwaffe.«
Zadira klemmte sich das Gerät zwischen Schulter und Ohr und begann, die CD-Sammlung durchzusehen. Puccini, Offenbach, Händel.
»Es ist Sonntag, und der Fall gehört mir nicht mehr.«
»Ja, und? Andere Leute waschen sonntags gern ihr Auto, ich arbeite gern. Außerdem habe ich etwas für Sie, mit dem Sie sich den Fall vielleicht zurückholen können.«
Zadira lächelte.
»Zuerst einmal: Das Collier ist gereinigt worden. Mit Spülmittel, Spiritus und Lavendelöl. Wir haben aber trotzdem Spuren gefunden, in den Rillen der Einfassungen, in den Rissen des Metalls und in den Ösen der Kette. Aber jetzt kommt’s: Keine der Spuren passte zum Referenzmaterial. Weder zu den vier Herrschaften noch zu Dédé Horloge. Und auch nicht zu der unbekannten männlichen Straßengraben-Leiche.«
In Zadira begann es zu brodeln.
»Stattdessen haben wir eine weitere DNS-Spur extrahiert. Wir fanden Lederreste gemischt mit Hautfett und Schweiß, und daraus konnten wir was machen. Lieutenant, wir haben eine Person Nummer sieben, einen weiteren Tatverdächtigen.«
Treffer!
Mattia?
Doch wer war Mattia? Etwa doch Paul? Sie hatte ausgerechnet von ihm weder Fingerabdrücke noch
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