Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
kann so schön bitte, bitte sagen wie sie. Und ihre Brille beschlägt so nett, wenn sie sich aufregt.«
»Du bist leicht zu begeistern, mein Freund.«
»Und du so kompliziert.«
»Hatten wir für Jeanette nicht eine Heirat mit Louis geplant?«
»Das war Larissa, vor einigen Jahren, du wirfst da einiges durcheinander.«
Philippe und Alexis machten keinen besonders enttäuschten Eindruck. Es schien ihnen nichts auszumachen, dass es diesmal keine Inszenierung, kein Fest und keine neue Stipendiatin gab. Das hing natürlich damit zusammen, dass sie beide auf andere Möglichkeiten zurückgreifen konnten. Victorine wusste sehr wohl, dass Philippe trotz seiner abfälligen Bemerkung über Natalie diese öfter aufsuchte, als er zugab, um sich an ihrer Resignation und geübten Unterwerfung zu erfreuen. Und wer oder was den verschlossenen Alexis sonst noch so umtrieb, diesen reizbaren Mann, der einem offenen Benzinkanister glich, wollte sie lieber gar nicht erst wissen.
Es war eine bittere Erkenntnis, dass einer Frau nicht die gleichen Möglichkeiten offenstanden wie ihren männlichen Altersgenossen. Victorine konnte inzwischen nur im Verbund mit den anderen auf ihre Kosten kommen. Zwar hätte sie sich durchaus jüngere Männer für Sex nehmen können. Aber nur Sex zu haben war ihr zu wenig. Viel zu wenig.
Ihr Blick fiel auf César, der sich während des ganzen Essens auffallend zurückgehalten hatte. Voller Zärtlichkeit betrachtete sie das melancholische Gesicht ihres Geliebten. Ein Eisengesicht mit schwarzen Augen. Ohne ihn wäre sie die langweilige und gelangweilte Gattin eines Bürgermeisters.
César sprach nie über Frauen wie über Autos, so wie Alexis und Phil. Und er hatte ihr nie das Gefühl gegeben, mit Ende vierzig nicht mehr attraktiv und begehrenswert zu sein. Er betrachtete Victorine immer noch als die Frau, die er einst mit dem ersten Gertenhieb befreit hatte.
Als sich nun ihre Blicke über dem Tisch kreuzten, bemerkte sie das spöttische Funkeln in seinen Augen.
Was hast du vor, du Teufel?
César rückte damit heraus, kurz nachdem der dritte Gang, Saint-Pierre-Filet mit dunklen Sommertrüffeln aus den Eichenwäldern des Mont Ventoux, abgetragen wurde.
»Ich habe übrigens ein Mädchen gefunden, das sich um das Stipendium bewerben will. Sie ist gerade einmal neunzehn und wunderschön.«
»Was? Wen?«, fragten Philippe und Amaury gleichzeitig. Im selben Moment tauchte eine Gestalt an ihrem Tisch auf.
»Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können.
Victorine musste all ihre Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht ungehalten zu reagieren. Denn diesmal war es nicht Gustave, den sie wie eine lästige Schmeißfliege fortwedeln konnte. Sondern André Ugo, der Hotelmanager. Und auch wenn der Mann mit dem gepflegten Vollbart und der aristokratischen Nase nicht mehr als ein weiterer Dienstleister war, so war bei ihm doch etwas mehr diplomatisches Geschick angebracht.
Während Alexis und Philippe es übernahmen, Monsieur Ugo für die tadellose Unterbringung und den perfekten Service zu danken, beobachtete Victorine ihren Liebhaber. Sie traute César zu, dass er den Hotelmanager hatte kommen sehen und seine Ankündigung bewusst genau in diesem Moment plaziert hatte, um seine Freunde auf die Folter zu spannen.
Du Teufel, dachte Victorine erneut. Eine neue Stipendiatin?
Es war immer ein bestimmter Typus junge Frau, die ihrem grausamen Liebhaber verfiel. Ich weiß, was dir fehlt, schien César ihnen wortlos zu verstehen zu geben. Ich weiß, wie du es bekommst. Und ich weiß, dass du mir gehorchen wirst, um es zu bekommen. Folge mir!
Doch um eine Frau zu einer wahren Jüngerin des Marquis zu machen, bedurfte es der Mitwirkung Victorines. Sie war es, die das Vertrauen gewann. Die jungen Frauen von heute waren nicht mehr so ahnungslos wie früher. In der schwierigen Vorbereitungszeit für die »Großen Spiele« vertrauten sie einer Frau bedenkenloser. Victorine war die ideale Dirigentin der Schule des Schmerzes und der Unterwerfung. César hingegen war der Seelenfänger. Keiner verstand sich so wie er auf die Finessen von Lust und Qual.
Und als er nun Victorines Aufmerksamkeit mit einer Geste auf etwas lenkte, sah sie seine jüngste Beute.
Im Nebensaal deckte eine junge Frau einen Tisch an einem der hohen Rundbogenfenster neu ein. Sie war zierlich in ihrer weißen, gestärkten Bluse zu Rock und Schürze. Ihre Haut hatte einen porzellanfarbenen, frischen Teint, ihr
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