Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
adonai echad.« Dann zitierte sie einen Satz aus der Bibel, dem Koran und eine Geisterbeschwörung der afrikanischen Orishas.
Jetzt muss sich mindestens ein Himmel für dich öffnen, Julie.
Brell neben ihr räusperte sich. Sie sah Feuchtigkeit und Mitgefühl in seinen Augen. Zadira betrachtete ihren neuen Partner. Sie hatte ihn aus Trotz, aber vor allem aus einem Beschützerinstinkt heraus »gewählt«. Auch er war eine Minderheit. Die der fetten Kinder. Und er kannte sich aus mit rumänischen Ferienhauseinbrechern, mit Schwarzarbeitern zur Weinlese und Trüffelschmugglern, die ihre weiße und braune Ware aus dem Kofferraum heraus verhökerten.
Und mit Mazan und seinen Geheimnissen.
Es wurde Zeit, wieder zu vertrauen.
»Sergeant Brell. Lassen Sie sich von den Technikern Fotos der Toten ausdrucken. Rufen Sie beim Grundsteuerregister an und ermitteln Sie den Besitzer des Hauses. Sprechen Sie mit den Anwohnern. Nehmen Sie Spencers Aussage auf und schicken Sie Parceval zurück zu seinen Kühen und Wellensittichen. Ich brauche Sie für alles, was mit Mazan zu tun hat. Ohne Sie geht es nicht.«
» À vos ordres, zu Befehl, Lieutenant Matéo. Das Haus hat früher übrigens dem alten Francis Bleu gehört, dem Sargtischler. Aber er ist aus Mazan weggezogen, seitdem die Leute sich Billigsärge aus Arles geholt haben.«
»Und wem gehört es jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Da sind nicht mal Namen an der Klingel oder dem Postkasten, auch die Nachbarn wissen es nicht.«
»Vielleicht weiß ja Madame Roche Bescheid.«
»Madame la Professeure?« Sergeant Brell schaute für einen Moment aus wie ein elfjähriger Schüler. »Aber wieso das denn?«
»Sie weiß doch sonst auch alles über jeden.«
»Wem sagen Sie das, Lieutenant. Wem sagen Sie das.«
Der Leiter der PTS dirigierte seine elf Spurensicherer, Tatortanalysten und Techniker in den weißen Overalls ruhig und sachlich über den Tatort. Er hieß Beaufort, Major Roland Beaufort. Genau wie die Windstärken.
Zadira lieh sich von dem Kriminologen mit dem Mastroianni-Schnäuzer einen Schutzoverall. Sie wollte sich noch einmal ausführlicher die oberen vier Zimmer ansehen.
»Sie sind also die Kollegin aus Marseille«, sagte Beaufort, während er im Teamwagen nach einem Schutzanzug ihrer Größe suchte. »Meine Frau sagt immer, Marseille ist arm, dreckig, unfreundlich und voller Ausländer.«
»Stimmt.«
Beaufort lachte. »Ich sage, die Stadt ist lebendig, herrlich, reich an weiter Welt und großer Liebe.«
Zadira mochte den schnauzbärtigen Chef der PTS-Truppe.
Wenig später hatte Zadira von allen Zimmern mit ihrer Handykamera Fotos gemacht. Nun saß sie in ihrem weißen Overall auf der Récamière und starrte auf den Paravent. Keiner der merkwürdig eingerichteten Räume war dazu gedacht, Gäste zu beherbergen. Der einzige Raum mit einem Bett war das »Himmelbett-Zimmer«, und dort war ein Spiegel im Baldachin eingelassen. In dem »Chinesischen Zimmer«, wie Zadira den mit roter Seidentapete ausgekleideten Raum mit der Stellwand nannte, stand hinter dem Paravent ein fünfarmiger Kerzenleuchter auf dem Boden. Außerdem ein Hocker mit filigranen Beinen. Der hauchdünne, mit Tuschezeichnungen verzierte Seidenwandschirm bot jedoch keinen Sichtschutz.
Es lag kein Staub auf den Kerzen in dem silbernen Kandelaber, sie mussten also gebrannt haben. Neben der Récamière stand ein Tischchen mit einem Tablett, darauf Champagnergläser.
Es gab überall im Haus Champagnerkelche. Und der doppeltürige, riesige Bosch-Kühlschrank in der Küche war bestückt mit Veuve Clicquot und teuren Weißweinen, die nicht aus der hiesigen Gegend stammten.
Zadira notierte sich die Namen auf den Etiketten. Brell würde die Weine sicher kennen, vielleicht sogar die Lieferanten, die Auskunft über ihre Kunden in Mazan geben konnten.
Sie kontrollierte die andere Hälfte des Kühlschranks. Unmengen kostbarster Lebensmittel. Pâtes, edler Schinken, Oliven, Austern, Scampi, Fassbutter, perfekte Erdbeeren … Hier wohnte jemand. Jemand mit Luxus-Appetit.
Der Raum zwischen dem Paravent-Zimmer und dem mit dem Turnbock war der verwirrendste von allen.
Vier Polstersesseln stand ein harter, alter Holzstuhl mit hoher Rückenlehne gegenüber, an der eine Ledermanschette befestigt war. Offenbar, um den Kopf des darauf Sitzenden zu fixieren. Außerdem waren die Armlehnen und die Beine mit Eisenfesseln versehen. Er sah aus wie ein Überbleibsel aus dem Mittelalter. Doch was waren das für siebartige
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