Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe
er nach einem möglichst schmeichelhaften Ausdruck. Brunetti seinerseits verkniff sich die Bemerkung, es sei ihm egal, was er über ihn zu sagen habe, Hauptsache, er könne ihm Auskunft über Benito Morandi geben. Er hob den Kopf leicht nach oben, ungefähr so wie die heilige Katharina, allerdings, um gelinde Neugier, nicht engelsgleiche Verzückung zu bekunden.
»... Sinn für Gerechtigkeit? Ist das der Ausdruck, den ich suche?«
Brunetti hielt das für wahrscheinlich und nickte.
Turchetti frischte sein Lächeln auf. »Also gut.« Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander: Genug der Höflichkeiten, jetzt konnten sie anfangen. »Morandi zählt insofern zu meinen Kunden, als er mir gelegentlich etwas verkauft hat.«
Brunetti schmunzelte, als er diese bereits bekannte und allgemein anerkannte Wahrheit vernahm. Demnach musste Turchetti sich, vielleicht mit Bedauern, daran erinnern, dass er Morandi diese Schecks ausgestellt hatte. Ob er knapp bei Kasse gewesen war? Hatte er die Zahlung hinauszögern müssen? [273] Oder hatte er mit Scheck bezahlt, um Zeit zu gewinnen, bis er eine Expertise über das Gekaufte eingeholt hatte?
»Was genau?«, fragte Brunetti.
»Ach, dies und das«, sagte Turchetti lächelnd und machte eine gezierte Handbewegung.
»Was genau?«
Unbeeindruckt von Brunettis Tonfall erklärte der Kunsthändler: »Ab und zu mal eine Zeichnung.«
»Was für Zeichnungen?«
Während Turchetti sich eine Antwort zurechtlegte, nahm Brunetti sein Notizbuch aus der Tasche. Er schlug es auf der Seite mit den Namen von Chiaras Lehrern auf und senkte den Blick auf die Liste.
Bevor er seine Frage wiederholen konnte, sagte Turchetti: »Ach, nichts Besonderes, von den Künstlern haben Sie vermutlich noch nie gehört.«
Brunetti zog einen Füller aus der Innentasche seines Jacketts, schraubte ihn auf, sah Turchetti ruhig an und sagte: »Lassen Sie hören.«
Turchetti lächelte gnädig. »Johann Georg von Dillis und Friedrich Salathé«, sagte er, wobei er den Vornamen des zweiten Malers aussprach, als sei er mit Goethe und Heine zur Schule gegangen.
Brunetti kannte nur den ersten, nickte aber, als seien ihm beide vertraut, und schrieb die Namen auf. Auch wenn sein Schwiegervater weder den einen noch den anderen jemals erwähnt hatte - er war Sammler und verbrachte viel Zeit in Galerien, und so war es durchaus möglich, dass er sie bei Turchetti gesehen und sich den Verkaufspreis gemerkt hatte.
»Und die anderen?«, fragte Brunetti.
[274] Turchetti lächelte. »Da müsste ich in meinen Unterlagen nachsehen. Das ist schon sehr lange her.«
»Aber das letzte Mal ...«, sagte Brunetti und versuchte sich, während er in seinem Notizbuch blätterte, an die Papiere zu erinnern, die Signorina Elettra ihm gegeben hatte, »war doch erst vor drei Monaten.«
Als Fisch hätte Turchetti sich jetzt hin und her gewunden, um möglichst unversehrt vom Haken loszukommen. Er rang nicht nach Luft, jedenfalls nicht wie ein Fisch, sondern atmete nur zweimal tief durch und sagte schließlich: »Können wir nicht Zeit sparen, Commissario, und Sie sagen mir einfach, was Sie wollen?«
»Ich möchte wissen, was er Ihnen verkauft hat und wie viel die Bilder wert waren.«
Mit einem Lächeln, das einen Flirt eingeleitet hätte, wäre Brunetti eine Frau, fragte der Händler: »Sie wollen nicht wissen, was ich ihm gezahlt habe?«
Brunetti hätte das am liebsten beiseitegewischt, aber Turchetti wusste nicht, dass ihm die Antwort auf diese Frage bereits bekannt war, da Morandi das Geld so gewissenhaft auf sein Konto eingezahlt hatte. Dass jemand etwas verkaufte und den Erlös zur Bank trug, konnte sich ein Kunsthändler wahrscheinlich gar nicht vorstellen.
»Nein, Signore«, sagte Brunetti und ließ bewusst den Titel weg, »nur, was sie wert waren.«
»Darf ich schätzen?«, fragte Turchetti unverblümt, als habe er die Spielchen satt. Kein Wort mehr von seinen »Unterlagen«. Brunetti war mit Priestern aufgewachsen, die von lässlichen Sünden sprachen, und wusste daher genau, wie dehnbar ein Begriff wie »Wert« war.
[275] »Nur zu«, sagte er.
»Der Dillis ungefähr vierzigtausend, der Salathé etwas weniger.«
»Und die anderen?«, fragte Brunetti und senkte den Blick auf die Namen von Chiaras Geschichts- und Erdkundelehrern.
»Ein paar Stiche: Tiepolo, höchstens zehn- bis zwölftausend pro Stück, insgesamt waren es vielleicht sechs oder sieben.«
»Sie haben ihm kein Angebot für das ganze Paket
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