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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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pflegte. Zuvor jedoch war er an Anselmo Grecos Krämerladen vorbeigegangen, einem ärmlichen Häuschen, das sich inmitten der Boutiquen und Bars mit ihren glänzenden Spiegelwänden befremdlich ausnahm. Neben allerlei Krimskrams wie Terrakottafigürchen und verrosteten Gewichten von Waagen aus dem neunzehnten Jahrhundert verkaufte Greco Dörrobst und Nüsse, getrocknete Kichererbsen und gesalzene Kürbiskerne. Der Commissario ließ sich eine Tüte davon füllen und machte sich auf den Weg. An jenem Tag war er bis an die Spitze unterhalb des Leuchtturms gegangen. Er war bereits auf dem Rückweg, als er weiter unten am Wasser einen Mann fortgeschrittenen Alters unbeweglich mit gesenktem Kopf auf einem der zementierten Wellenbrecher sitzen sah. Die Gischt des tosenden Meeres, die ihn völlig durchnäßte, störte ihn offenbar nicht. Montalbano sah genauer hin, um erkennen zu können, ob der Mann vielleicht eine Angel in Händen hielt, aber er angelte nicht, er tat gar nichts. Plötzlich stand der Mann auf, schlug hastig ein Kreuz und stellte sich auf die Zehenspitzen.
    »Halt!« schrie Montalbano.
    Der Mann verharrte erstaunt, er hatte geglaubt, alleine zu sein. Mit zwei großen Schritten sprang Montalbano zu ihm hinab, packte ihn am Jackenrevers, hob ihn hoch und brachte ihn in Sicherheit.
    »Was, um Himmels willen, hatten Sie denn vor? Sich umzubringen?«
    »Ja.«
    »Aber warum?«
    »Weil meine Frau mich betrügt.«
    Mit allem hatte Montalbano gerechnet, nur nicht mit dieser Begründung. Der Mann war bestimmt achtzig. »Wie alt ist Ihre Frau?«
    »Um die achtzig. Ich bin zweiundachtzig.«
    Ein absurdes Gespräch in einer absurden Situation. Der Commissario hatte keine Lust, es fortzuführen, hakte den Mann unter und zwang ihn so, in Richtung Vigàta zurückzugehen. Schließlich, um das Ganze noch verrückter zu machen, stellte sich der Mann vor. »Erlauben Sie? Ich bin Maestro Giosuè Contino, ich war Lehrer an der Grundschule. Und wer sind Sie? Natürlich nur, wenn Sie es mir sagen wollen.«
    »Mein Name ist Salvo Montalbano, ich bin der Polizeikommissar von Vigàta.«
    »Ach, ja? Sie kommen wie gerufen! Sagen Sie doch dieser erbärmlichen Hure von Ehefrau, daß sie mich nicht mit Agostino De Francesco betrügen soll, sonst begeh' ich eines Tages noch eine Dummheit.«
    »Wer ist dieser De Francesco?«
    »Ein ehemaliger Postbote. Er ist jünger als ich, sechsundsiebzig Jahre, und hat eine Rente, die anderthalbmal so hoch ist wie meine.«
    »Sind Sie sich Ihrer Sache ganz sicher, oder haben Sie nur einen Verdacht?«
    »Ganz sicher. Ich schwör's Ihnen. Jeden heiligen Nachmittag, den Gott uns schenkt, trinkt dieser De Francesco einen Kaffee in der Bar unterhalb meiner Wohnung.«
    »Ja und?«
    »Wieviel Zeit brauchen Sie, um einen Kaffee zu trinken?«
    Einen Augenblick ging Montalbano auf die harmlose Verrücktheit des alten Lehrers ein. »Das hängt davon ab. Im Stehen…«
    »Wer spricht denn von stehen? Sitzend!«
    »Na ja, das hängt davon ab, ob ich eine Verabredung habe und warten muß oder ob ich nur die Zeit totschlagen möchte.«
    »Nein, mein Lieber, der setzt sich da hin, nur um meine Frau anzuschauen, und sie schaut zurück. Und sie lassen sich keine Gelegenheit entgehen, einander schöne Augen zu machen.«
    Inzwischen waren sie im Ort angekommen.
    »Maestro, wo wohnen Sie?«
    »Am Ende der Hauptstraße, an der Piazza Dante.«
    »Nehmen wir die Straße hinten herum, das ist besser.«
    Montalbano wollte nicht, daß der völlig durchnäßte und vor Kälte zitternde alte Mann die Schaulust und Neugierde der Bewohner von Vigàta erregte. »Kommen Sie mit mir hoch? Möchten Sie einen Kaffee?« fragte der Lehrer, als er die Hausschlüssel aus der Hosentasche zog.
    »Nein, danke. Ziehen Sie sich um, Maestro, und trocknen Sie sich gut ab.«
    Am gleichen Abend noch hatte er De Francesco, den ehemaligen Postboten, vorgeladen, einen hageren und unsympathischen alten Mann, der auf die Ratschläge des Commissario stur und mit greller Stimme reagierte. »Ich trinke meinen Kaffee, wo es mir gefällt! Das wäre ja noch schöner. Ist es etwa verboten, in die Bar unterhalb der Wohnung dieses verkalkten Contino zu gehen? Ich muß mich schon sehr wundern über Sie, der Sie das Gesetz vertreten sollen und mir statt dessen solchen Unsinn erzählen!«
    »Alles vorbei!« erklärte der Polizist, der die Neugierigen von der Haustür an der Piazza Dante fernhielt. Vor dem Eingang der Wohnung stand der Brigadiere Fazio, der mit

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