Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Streifenbarben, die knusprig fritiert und eine kurze Weile auf Papier abgetropft waren. Nach dem Kaffee und einem langen Spaziergang an der östlichen Mole ging er ins Büro zurück. Kaum hatte Fazio ihn gesichtet, erhob er sich hinter seinem Schreibtisch.
»Dottore, da wartet jemand auf Sie.«
»Wer denn?«
»Pino Catalano, erinnern Sie sich noch an ihn? Einer der beiden Müllmänner, die Luparellos Leiche gefunden haben.«
»Schick ihn sofort zu mir!«
Ihm fiel gleich auf, daß der junge Mann nervös und angespannt war. »Setz dich.«
Pino ließ sich auf die Stuhlkante nieder. »Dürfte ich vielleicht erfahren, warum Sie zu mir nach Hause gekommen sind und dieses Theater gespielt haben? Ich habe nichts zu verbergen.«
»Das habe ich getan, um deine Mutter nicht zu beunruhigen, ganz einfach. Wenn ich ihr gesagt hätte, daß ich von der Polizei bin, hätte sie womöglich der Schlag getroffen.«
»Nun, wenn das so ist - danke.«
»Wie bist du eigentlich darauf gekommen, daß ich es war, der dich gesucht hat?«
»Ich rief meine Mutter an, um zu fragen, wie sie sich fühlt. Als ich morgens weggegangen war, hatte sie Kopfschmerzen. Sie hat mir gesagt, daß ein Mann da war, um mir einen Umschlag zu übergeben, den er allerdings vergessen hatte. Er sei wieder gegangen, um ihn zu holen, habe sich dann aber nicht mehr blicken lassen. Da bin ich hellhörig geworden und habe meine Mutter gefragt, wie der Kerl aussah. Wenn Sie für jemand anders gehalten werden wollen, sollten Sie das Muttermal unter Ihrem linken Auge wegmachen lassen. Was wollen Sie von mir?«
»Eine Frage. Hat dich an der Mànnara jemand gefragt, ob du eine Kette gefunden hast?«
»Ja, einer, den Sie gut kennen, Filippo di Cosmo.«
»Und du?«
»Ich habe ihm gesagt, daß ich keine gefunden habe, was ja auch die Wahrheit ist.«
»Und er?«
»Er hat mir gesagt, wenn ich sie finde, um so besser, dann würde er mir fünfzigtausend Lire schenken; wenn ich sie jedoch finde und ihm nicht aushändige, um so schlimmer. Haargenau dieselben Worte, die er zu Saro gesagt hat. Aber Saro hat die Kette auch nicht gefunden.«
»Warst du bei ihm zu Hause, bevor du hierher gekommen bist?«
»Nicht doch, ich bin schnurstracks hergekommen.«
»Du schreibst Theaterstücke?«
»Nein, aber ich spiele gerne, ab und zu.«
»Und was ist dann das hier?«
Montalbano reichte ihm das Blatt Papier, das er von dem kleinen Tisch genommen hatte. Pino betrachtete es völlig gelassen und schmunzelte. »Nein, das ist kein Theaterstück, das ist…«
Er verstummte, verstört. Ihm war aufgegangen, daß er, wenn dies nicht die Dialoge eines Theaterstückes waren, erklären müßte, was es in Wirklichkeit mit dem Text auf sich hatte. Und das wäre nicht ganz einfach. »Ich komme dir entgegen«, sagte Montalbano. »Das ist die Niederschrift eines Telefongesprächs, das einer von euch beiden mit dem Awocato Rizzo gleich nach der Entdeckung der Leiche geführt hat. Und zwar noch bevor ihr zu mir ins Kommissariat gekommen seid, um eure Entdeckung zu melden. Stimmt's?«
»Na ja.«
»Wer hat angerufen?«
»Ich. Saro stand daneben und hat mitgehört.«
»Warum habt ihr das getan?«
»Weil der Ingegnere eine bedeutende Persönlichkeit war, ein mächtiger Mann. Und wir dachten, da verständigen wir am besten den Awocato. Halt, nein, am Anfang wollten wir den Abgeordneten Cusumano anrufen.«
»Und warum habt ihr das nicht getan?«
»Weil Cusumano, jetzt, wo Luparello tot ist, dasteht wie einer, der bei einem Erdbeben nicht nur das Haus, sondern auch das Geld verloren hat, das er unterm Kopfkissen liegen hatte.«
»Erklär mir mal genauer, warum ihr Rizzo verständigt habt.«
»Weil es durchaus möglich gewesen wäre, daß man noch was hätte machen können.«
»Was?«
Pino antwortete nicht, er schwitzte, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Ich komme dir noch ein Stück entgegen. Möglich, daß man noch etwas hätte machen können, hast du gesagt. Also, zum Beispiel das Auto von der Mànnara wegfahren, damit der Tote andernorts gefunden wird? Und um so was, dachtet ihr, würde Rizzo euch vielleicht bitten?«
»Ja.«
»Und ihr hättet das auch getan?«
»Natürlich! Deswegen haben wir ja bei ihm angerufen!«
»Was habt ihr euch als Gegenleistung erhofft?«
»Daß er uns vielleicht eine andere Arbeit besorgt, uns eine Ausschreibung für Landvermesser gewinnen läßt, uns eine richtige Arbeitsstelle sucht, uns einfach von diesem erbärmlichen Müllmännerdasein
Weitere Kostenlose Bücher