Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
am liebsten dauernd reinstecken. Der ist immer bereit, mich flachzulegen.«
»Verstehe. Und Luparello, wußte der, wen du hierher gebracht hast?«
»Für ihn gilt das gleiche, er hat mich nicht gefragt, und ich habe es ihm nicht gesagt.«
Ingrid erhob sich.
»Können wir uns nicht woanders weiter unterhalten?
Dieser Ort deprimiert mich. Bist du verheiratet?«
»Nein«, antwortete Montalbano verblüfft. »Gehen wir zu dir.«
Sie lächelte freudlos. »Ich habe dir doch gesagt, daß es so endet, oder?«
Dreizehn
Keiner von beiden hatte Lust zu reden. Eine Viertelstunde lang saßen sie schweigend nebeneinander. Aber dann gab der Commissario ein weiteres Mal seiner Bullennatur nach. Als sie an die Auffahrt zur Brücke kamen, die über den Canneto führt, fuhr er an die Seite, bremste, stieg aus und bedeutete Ingrid, es ihm gleichzutun. Oben von der Brücke aus zeigte der Commissario der Frau das ausgetrocknete Flußbett, das man im Mondlicht gerade erkennen konnte.
»Siehst du«, sagte er, »das Flußbett führt geradewegs zum Strand. Es geht recht steil hinab. Und es ist voller Steine und Felsbrocken. Würdest du es schaffen, hier mit dem Auto hinunterzufahren?«
Ingrid begutachtete die Strecke, zumindest das erste Stück, das sie sehen oder vielmehr erahnen konnte. »Das kann ich dir so nicht sagen. Bei Tag wäre es etwas anderes. In jedem Fall könnte ich es probieren, wenn du möchtest.«
Sie lächelte den Commissario herausfordernd an.
»Du hast dich gut über mich informiert, was? Also, was muß ich tun?«
»Tu es«, sagte Montalbano. »In Ordnung. Warte hier.«
Sie stieg ins Auto und fuhr los. Bereits nach wenigen Sekunden konnte Montalbano das Licht der Scheinwerfer nicht mehr sehen.
Na dann gute Nacht! Sie hat mich verarscht, gestand er sich zähneknirschend ein.
Doch noch während er sich auf den langen Fußmarsch nach Vigàta einstellte, hörte er sie zurückkommen. Der Motor heulte.
»Vielleicht schaffe ich es. Hast du eine Taschenlampe?«
»Liegt im Handschuhfach.«
Die Frau kniete nieder, beleuchtete die Unterseite des Wagens und richtete sich wieder auf. »Hast du ein Taschentuch?«
Montalbano reichte ihr eines. Ingrid wickelte es sich fest um den schmerzenden Knöchel. »Steig ein.«
Im Rückwärtsgang fuhr sie bis zum Beginn eines unbefestigten Weges, der von der Landstraße abzweigte und bis unter die Brücke führte.
»Ich versuche es, Commissario. Aber vergiß nicht, daß ich einen lahmen Fuß habe. Schnall dich an. Muß ich schnell fahren?«
»Ja, aber es wäre trotzdem ganz schön, wenn wir gesund und heil unten am Strand ankämen.«
Ingrid legte den Gang ein und schoß los. Es folgten zehn Minuten ununterbrochenes mörderisches Gerüttel. Montalbano hatte irgendwann das Gefühl, als wolle sich sein Kopf vom restlichen Körper abtrennen und aus dem Fenster fliegen. Ingrid jedoch war ruhig und gelassen. Unbeirrt lenkte sie das Auto, die Zungenspitze zwischen den Lippen. Der Commissario verspürte den Impuls, ihr zu sagen, sie solle den Mund schließen, damit sie sich nicht versehentlich die Zunge abbiß. Am Strand angekommen, fragte Ingrid: »Und? Habe ich die Prüfung bestanden?«
Ihre Augen leuchteten im Dunkeln. Sie war aufgeregt und glücklich. »Ja.«
»Los, wir fahren die Strecke noch einmal, und zwar bergauf.«
»Du bist ja verrückt! Das reicht.«
Sie hatte es zu Recht als Prüfung bezeichnet. Leider war es eine Prüfung gewesen, die zu nichts geführt hatte. Ingrid wußte diese Strecke problemlos zu meistern, und das war ein Punkt zu ihren Ungunsten. Auf die Bitte des Commissario jedoch hatte sie nicht nervös reagiert, sondern nur mit Verwunderung, und das war ein Punkt zu ihren Gunsten. Und die Tatsache, daß sie das Auto beim Fahren nicht beschädigt hatte - wie war die einzuordnen? Als positives oder als negatives Zeichen? »Also, was ist? Fahren wir noch einmal? Los komm, das ist der einzige Moment an diesem Abend, an dem ich mich amüsiert habe.«
»Nein, ich habe nein gesagt.«
»Dann fahr du weiter, ich habe zu arge Schmerzen.«
Der Commissario fuhr am Meeresufer entlang, erhielt den Beweis, daß der Wagen in Ordnung war, nichts war in die Brüche gegangen. »Du bist echt gut.«
»Weißt du«, sagte Ingrid, die plötzlich sachlich und ernst geworden war, »diese Strecke kann jeder fahren. Die Geschicklichkeit liegt darin, den Wagen im selben Zustand ans Ziel zu bringen, in dem er losgefahren ist. Denn dann stehst du vielleicht an einer Asphaltstraße,
Weitere Kostenlose Bücher