Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Stadt wußte es!
Ich hab' mich also nicht mal angezogen, sondern bin
losgefahren, wie ich war, im Schlafanzug...«
Montalbano hob müde eine Hand und unterbrach ihn.
»Du schläfst im Schlafanzug?«
»Ja«, sagte Augello verdutzt. »Warum?«
»Nur so. Sprich weiter.«
»Während ich zum Auto rannte, hab' ich mit dem Handy
den Notarzt gerufen. Und das war gut so, denn du hast viel
Blut verloren.«
»Danke«, sagte Montalbano ergriffen. »Ach was, danke!
Das hättest du für mich doch auch getan, oder?«
Montalbano prüfte rasch sein Gewissen und zog es vor,
nicht zu antworten.
»Ich muß dir noch etwas Komisches erzählen«, fuhr
Augello fort. »Das erste, worum du mich gebeten hast, als du
noch im Sand lagst und gejammert hast, war, daß ich die
Schnecken von dir wegnehmen sollte, die auf dir
herumkrochen. Du warst in einer Art Delirium, ich habe also
gesagt, ich nehme dir die Schnecken ab, aber da war keine
einzige Schnecke.«
Livia kam, sie umarmte ihn fest und fing an zu weinen, als sie
sich so nah wie möglich neben ihn aufs Bett legte.
»Bleib so«, sagte Montalbano.
Sie hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt, und er genoß
den Duft ihres Haares.
»Wie hast du es erfahren?«
»Aus dem Radio. Das heißt, meine Cousine hat es gehört.
Das war eine schöne Überraschung am Morgen.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Als erstes habe ich bei der Alitalia einen Flug nach
Palermo gebucht, dann habe ich dein Büro in Vigàta
angerufen, sie haben mich mit Augello verbunden, der sehr
freundlich war, er hat mich beruhigt und mir angeboten, mich
vom Flughafen abzuholen. Während der Autofahrt hat er mir
dann alles erzählt.«
»Livia, wie geht es mir?«
»Dafür, was dir passiert ist, geht es dir gut.«
»Bin ich für immer ein Wrack?«
»Was redest du da?«
»Muß ich jetzt mein Leben lang in bianco essen?«
»Aber Sie binden mir die Hände«, sagte der Questore
lächelnd.
»Warum?«
»Weil Sie sich als Sheriff oder, wenn Ihnen das lieber ist,
als nächtlicher Rächer betätigen und Thema Nummer eins in
sämtlichen Sendern und Zeitungen sind.«
»Das ist nicht meine Schuld.«
»Nein, das ist es nicht, aber es ist auch nicht meine
Schuld, wenn ich gezwungen sein werde, Sie zu befördern. Sie
müßten eine Zeitlang brav bleiben. Gott sei Dank sind Sie die
nächsten drei Wochen erst mal hier.«
»Was, solange?!«
»Ach, übrigens, Staatssekretär Licalzi ist in Montelusa,
und zwar, wie er sagt, um die öffentliche Meinung im Kampf
gegen die Mafia zu sensibilisieren, und er hat die Absicht
geäußert, Sie heute nachmittag zu besuchen.«
»Ich will ihn nicht sehen!« schrie Montalbano
aufgebracht. Das war einer, der reichlich von der Mafia
profitiert hatte und jetzt wieder mit von der Partie war, und
zwar mit Unterstützung der Mafia.
In diesem Augenblick kam der Chefarzt herein. Sechs
Personen waren im Raum, daher schaute er äußerst finster
drein.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muß Sie bitten,
ihn jetzt allein zu lassen, er braucht Ruhe.«
Sie verabschiedeten sich einer nach dem anderen,
während der Chefarzt laut zur Schwester sagte: »Für heute
keine Besuche mehr.«
»Der Staatssekretär reist heute nachmittag um fünf ab«,
sagte der Questore leise zu Montalbano. »Leider kann er nach
dieser Anweisung des Arztes nicht mehr bei Ihnen
vorbeikommen.«
Sie grinsten sich an.
Nach einigen Tagen wurde die Infusion abgesetzt, und man
stellte ihm ein Telefon ans Bett. Am selben Morgen kam,
beladen wie der Weihnachtsmann, Nicolò Zito zu Besuch.
»Ich habe dir einen Fernseher, ein Videogerät und eine
Kassette mitgebracht. Und die Zeitungen, die was über dich
geschrieben haben.«
»Was ist auf der Kassette?«
»Ich habe den ganzen Quatsch, den wir – ich,
‚Televigàta’ und die anderen Sender – über die Geschichte von
uns
gegeben
haben,
aufgenommen
und
zusammengeschnitten.«
»Pronto, Salvo? Hier ist Mimì. Wie geht's dir heute?«
»Besser, danke.«
»Ich wollte dir nur sagen, daß sie unseren Freund
Ingrassia umgebracht haben.«
»Ich hab's ja gleich gewußt. Wann war das?«
»Heute morgen. Er wurde erschossen, als er mit seinem
Wagen in die Stadt fuhr. Zwei Typen auf einem schweren
Motorrad. Der Kollege, der auf ihn angesetzt war, hat noch
versucht, ihm zu Hilfe zu kommen, aber da war nichts mehr zu
machen. Hör zu, Salvo, morgen früh komm' ich zu dir. Du
mußt mir offiziell in allen Einzelheiten von deiner
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