Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
ertragen
    konnte, gab er Gas, fuhr durch Vigàta, nahm die Straße
    Richtung Montelusa, bog an der Abzweigung von Montaperto
    nach links ab, fuhr ein paar Kilometer weiter, bog in einen
    Feldweg ein und gelangte auf einen kleinen freien Platz, an
    dem ein Bauernhaus stand. Er stieg aus. Gegès Schwester
    Marianna, die seine Lehrerin gewesen war, saß auf einem
    Stuhl neben der Tür und reparierte einen Korb. Als sie den
    Commissario sah, ging sie ihm entgegen.
    »Salvù, ich wußte, daß du kommen würdest.«
    »Sie sind die erste, die ich nach dem Krankenhaus
    besuche«, sagte Montalbano und umarmte sie.
    Mariannina fing leise an zu weinen, sie klagte nicht, sie
    weinte einfach, und auch Montalbano stiegen die Tränen in die
    Augen.
    »Hol dir einen Stuhl«, sagte Mariannina.
    Montalbano setzte sich neben die Frau, und sie nahm
    seine Hand und streichelte sie.
    »Hat er gelitten?«
    »Nein. Noch während sie schossen, wußte ich, daß Gegè
    sofort tot war. Das wurde mir später auch bestätigt. Ich glaube,
    er hat gar nicht begriffen, was passiert ist.«
    »Stimmt es, daß du den getötet hast, der Gegè
    umgebracht hat?«
    » Sissi.«
    » Wo Gegè auch immer ist, darüber freut er sich
    bestimmt.« Mariannina seufzte und drückte fest Montalbanos
    Hand. »Gegè hat dich sehr gern gehabt«, sagte sie.
    Meu amigo de alma – der Titel dieses Buches von Mário
    de Sá-Carneiro ging ihm durch den Kopf.
    »Ich hab' ihn auch sehr gern gehabt«, sagte er. »Weißt du
    noch, was er alles angestellt hat?«
    Mißraten war er als Kind gewesen, ein Taugenichts.
    Mariannina bezog sich offenbar nicht auf die letzten Jahre, auf
    Gegès problematisches Verhältnis zum Gesetz, sondern auf
    jene fernen Zeiten, in denen ihr jüngerer Bruder noch klein
    und ein frecher Lausbub war. Montalbano lächelte.
    »Erinnern Sie sich, wie er mal einen Knallfrosch in einen
    Kupferkessel geschmissen hat, den gerade jemand repariert
    hat, und der ist von dem Knall in Ohnmacht gefallen?«
    »Und wie er mal den Tintenfisch in der Handtasche von
    Signora Longo, der Lehrerin, ausgeleert hat?«
    Zwei Stunden lang plauderten sie über Gegè und seine
    Streiche, verweilten aber nur bei Geschichten, die in seiner
    Jugend spielten.
    »Es ist spät geworden, ich muß fahren«, sagte
    Montalbano.
    »Du kannst gern zum Essen bleiben, aber vielleicht ist es
    zu schwer, und du verträgst es noch nicht.«
    »Was gibt's denn?«
    » Attuppateddri al suco.«
    Attuppateddri waren kleine hellbraune Schnecken, die,
    bevor sie in Winterschlaf fielen, ein Sekret absonderten, das
    eine feste weiße Haut bildete, die die Öffnung des
    Schneckenhauses verschloß. Im ersten Augenblick wollte
    Montalbano angewidert ablehnen. Wie lange verfolgte ihn
    diese Wahnvorstellung denn noch? Dann beschloß er
    heldenhaft, die Einladung anzunehmen und sie als doppelte
    Herausforderung für Magen und Seele zu betrachten. Als das
    Essen, das einen allerfeinsten ockergelben Duft verströmte,
    vor ihm stand, mußte er sich einen Ruck geben, aber nachdem
    er den ersten attuppateddru mit einer Nadel herausgezogen
    und gekostet hatte, fühlte er sich mit einemmal wie erlöst: Der
    Wahn war verschwunden, die Melancholie ausgetrieben,
    zweifellos würde auch sein Magen sich fügen.

    Im Büro blieb ihm fast die Luft weg vor lauer Umarmungen,
    Tortorella wischte sich sogar eine Träne aus dem
    Augenwinkel.
    »Ich weiß, wie das ist, wenn man angeschossen wurde
    und dann wiederkommt!«
    »Wo ist Augello?«
    »In Ihrem Büro«, sagte Catarella.
    Montalbano ging rein, ohne anzuklopfen, Mimì sprang
    vom Schreibtischstuhl auf, als hätte ihn jemand beim Klauen
    erwischt, und wurde rot.
    »Ich habe nichts angerührt. Aber mit dem Telefonieren...«
    »Ist schon in Ordnung, Mimì«, fiel Montalbano ihm ins
    Wort und unterdrückte das Bedürfnis, ihm, der es gewagt
    hatte, sich auf seinem Stuhl niederzulassen, einen Arschtritt zu
    versetzen.
    »Ich wollte heute noch zu dir nach Hause kommen«,
    sagte Augello.
    »Wozu?«
    »Um den Personenschutz zu besprechen.«
    »Für wen?«
    »Was heißt hier für wen? Für dich natürlich. Es ist ja
    nicht gesagt, daß die es nicht noch mal versuchen, nachdem es
    das erste Mal schiefgegangen ist.«
    »Du irrst dich, mir wird nichts mehr passieren. Weil du
    auf mich hast schießen lassen, Mimì.«
    Augello lief rot an und zitterte, als hätte ihm jemand
    einen Starkstromstecker in den Hintern gesteckt. Dann sackte
    sein Blut wohin auch immer, und er wurde

Weitere Kostenlose Bücher