Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
hätten wechseln können, sie seien kaum über
die Begrüßung hinausgekommen.
»Gegè wollte gerade etwas über den Waffenhandel sagen,
er hatte etwas läuten hören, das mich interessieren könnte.
Aber was, konnte er mir nicht mehr mitteilen.«
Augello tat, als glaube er ihm, und Montalbano berichtete
in allen Einzelheiten vom Ablauf der Schießerei.
»Und jetzt erzähl du«, sagte er zu Mimì.
»Erst unterschreibst du das Protokoll«, erwiderte Augello.
Montalbano unterschrieb, Tortorella verabschiedete sich und
fuhr ins Büro. Es gebe wenig zu erzählen, sagte Augello, das
Motorrad habe Ingrassias Auto überholt, der Hintermann habe
sich umgedreht und geschossen, und das sei's dann auch schon
gewesen. Ingrassias Auto sei im Graben gelandet.
»Sie haben den trockenen Ast abgesägt«, war
Montalbanos Kommentar. Eine leise Melancholie beschlich
ihn, weil er sich ausgeschlossen fühlte.
»Was habt ihr jetzt vor?«
»Ich habe die Kollegen in Catania informiert, und sie
haben versprochen, an Brancato dranzubleiben.«
»Hoffentlich geht das gut«, sagte Montalbano.
Augello konnte es nicht wissen, aber möglicherweise
hatte er Brancatos Todesurteil unterschrieben, als er Catania
informierte.
»Wer war das?« fragte Montalbano nach einer Pause
plötzlich.
»Wer war was?«
»Da, schau.«
Er betätigte die Fernbedienung und zeigte ihm die
Sequenz mit der Nachricht vom Überfall auf Ragonese. Mimì
tat sehr überzeugend, als hätte er keine Ahnung.
»Das fragst du mich? Außerdem kann uns das egal sein,
Ragonese wohnt in Montelusa.«
»Meine Güte, bist du naiv, Mimì! Da schau, darfst Finger
lutschen!«
Er hielt ihm wie einem Baby den kleinen Finger hin.
Achtzehn
Nach einer Woche war es mit den Besuchen, den
Umarmungen, den Anrufen und Genesungswünschen vorbei,
und Einsamkeit und Langeweile hielten Einzug. Er hatte Livia
überredet, zu ihrer Cousine nach Mailand zurückzukehren, sie
sollte doch ihren Urlaub nicht verplempern, von der geplanten
Reise nach Kairo war momentan gar keine Rede. Sie
vereinbarten, daß Livia wieder runterkäme, sobald der
Commissario entlassen sei, erst dann würde sie entscheiden,
wie und wo sie ihre noch verbleibenden zwei Wochen Urlaub
verbringen wollte.
Auch der Aufruhr um Montalbano und das, was er erlebt
hatte, schwächte langsam zu einem Echo ab und verstummte
dann ganz. Nur Augello oder Fazio leisteten ihm jeden Tag
Gesellschaft; sie blieben kurz, gerade so lang, um ihm von
Neuigkeiten und dem Stand verschiedener Ermittlungen zu
berichten.
Jeden Morgen, wenn er aufwachte, nahm Montalbano
sich vor, nachzudenken und sich mit den Toten vom
Crasticeddru zu beschäftigen; er fragte sich, wann ihm jemals
wieder eine solche Ruhe gegönnt sein würde, ohne jede
Störung, und er einen Gedanken zu Ende denken könnte, der
ihm zu einem Lichtblick, zu einer Anregung verhalf.
Du mußt deinen Zustand ausnutzen, dachte er und machte
sich, wie ein galoppierendes Pferd, voller Elan daran, die
Geschichte Revue passieren zu lassen, fiel nach einer Weile in
kurzen Trab, dann in Schritt, bis sich schließlich eine sanfte
Trägheit in ihm, seinem Körper und seinem Hirn, breitmachte.
Das muß die Rekonvaleszenz sein, dachte er.
Er setzte sich in den Sessel, nahm eine Zeitung oder eine
Zeitschrift in die Hand, und wenn er einen etwas längeren
Artikel zur Hälfte gelesen hatte, wurden seine Augen langsam
bleischwer, und er glitt in einen wohlig warmen Schlaf.
»Der Brigadiere Fazio hat mir gesagt, daß Sie heute
heimkommen. Meine Anteilnahme und gute Besserung. Der
Brigadiere hat mir auch gesagt, daß Sie Diätküche brauchen.
Adelina.«
Seine Haushälterin hatte den Zettel auf den Küchentisch
gelegt, und Montalbano sah schnell nach, was seine Perle sich
unter Diätküche vorstellte: zwei fangfrische merluzzi, mit Öl
und Zitrone anzumachen. Er zog den Telefonstecker heraus,
denn er wollte sich in aller Ruhe wieder zu Hause
eingewöhnen. Viel Post wartete auf ihn, aber er öffnete keinen
einzigen Brief, las keine Postkarte. Er aß und legte sich dann
hin.
Vor dem Einschlafen beschäftigte ihn noch eine Frage:
Wenn die Ärzte ihm versichert hatten, er werde sich ganz und
gar erholen, warum war er dann so niedergeschlagen und sein
Hals wie zugeschnürt?
Die ersten zehn Minuten fuhr Montalbano sehr vorsichtig
und achtete mehr auf seine Seite als auf die Straße. Als er
feststellte, daß er auch heftige Erschütterungen
Weitere Kostenlose Bücher