Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Schießerei
berichten.«
Er bat Livia, die Kassette einzulegen; er war nicht besonders
neugierig, aber es war ein Zeitvertreib. Galluzzos Schwager
gab sich in »Televigàta« seiner Phantasie hin, die eines
Drehbuchautors zu einem Film wie Jäger des verlorenen
Schatzes würdig gewesen wäre. Seiner Meinung nach war die
Schießerei die direkte Folge aus der Entdeckung der beiden
mumifizierten Leichen in der Höhle. Welches schreckliche
und unerforschbare Geheimnis steckte hinter diesem lang
zurückliegenden Verbrechen? Der Journalist entblödete sich
nicht – wenn auch nur am Rande –, an das traurige Ende zu
erinnern, das die Entdecker der Pharaonengräber genommen
hatten, und brachte es mit dem Hinterhalt in Verbindung, in
den der Commissario geraten war.
Montalbano lachte, bis ihm ein stechender Schmerz in die
Seite fuhr. Dann erschien das Gesicht von Pippo Ragonese,
des politischen Kommentators desselben Privatsenders,
Exkommunist, Exchristdemokrat und jetzt Spitzenvertreter der
»Erneuerungspartei«. Ragonese stellte klar und deutlich eine
Frage: Was wollte Commissario Montalbano von einem
Zuhälter und Dealer, von dem das Gerücht sagte, er sei sein
Freund? War dieser Umgang mit dem hohen moralischen
Maßstab vereinbar, dem jeder Diener des Staates zu genügen
hatte? Die Zeiten hätten sich geändert, schloß der
Kommentator ernst, dank der neuen Regierung wehe ein Wind
der Erneuerung durchs Land, und man müsse Schritt halten.
Die Verhaltensweisen von früher, die alten abgekarteten
Spielchen müßten ein für allemal ein Ende haben.
Montalbano spürte wieder einen stechenden Schmerz,
diesmal aus Wut, und er jammerte. Livia stand sofort auf und
schaltete den Fernseher aus.
»Über so einen Vollidioten regst du dich auf?«
Er lag ihr eine halbe Stunde lang in den Ohren, bis Livia
schließlich nachgab und den Fernseher wieder einschaltete.
Nicolò Zitos Kommentar war herzlich, empört, vernünftig.
Herzlich wegen seines Freundes, des Commissario, dem er die
aufrichtigsten Genesungswünsche sandte; empört, weil die
Mafia trotz aller Versprechen der Politiker auf der Insel tun
und lassen konnte, was sie wollte; vernünftig, weil er Tanos
Festnahme mit dem Waffenfund in Verbindung brachte.
Beides sei ein schwerer Schlag gegen das organisierte
Verbrechen gewesen, ausgeführt von Montalbano, der damit
einen gefährlichen Gegner darstelle, der um jeden Preis aus
dem Weg geräumt werden müsse. Über die Hypothese, der
Hinterhalt sei die Rache der entweihten Toten, machte er sich
lustig: Mit welchem Geld sollen sie die gedungenen Mörder
denn bezahlt haben, vielleicht mit dem ungültigen Kleingeld
aus der Schale?
Dann hatte wieder der Journalist von »Televigàta« das
Wort; er brachte ein Interview mit Alcide Maraventato, der zur
Feier des Tages als »Spezialist des Okkulten« bezeichnet
wurde. Der Expriester trug eine Soutane, die mit bunten
Flicken ausgebessert war, und nuckelte am Fläschchen. Auf
die beharrlichen Fragen, die ihn dazu bringen sollten, eine
mögliche Verbindung zwischen dem Hinterhalt, in den der
Commissario geraten war, und der sogenannten Profanation zu
bestätigen, reagierte Maraventato virtuos wie ein routinierter
Schauspieler, mal äußerte er sich zustimmend, mal wich er aus
und ließ alle in einer nebulösen Ungewißheit. Mit dem
Erkennungszeichen für Ragoneses Kommentar war die
Kassette mit Zitos filmischem Arrangement zu Ende. Aber
dann erschien ein unbekannter Journalist und teilte mit, daß
sein Kollege an diesem Abend nicht sprechen könne, weil er
Opfer eines brutalen Überfalls geworden sei. Unbekannte
Verbrecher hätten ihn letzte Nacht, als er nach seinem Dienst
bei »Televigàta« heimfahren wollte, übel zugerichtet und
ausgeraubt. Der Journalist ging mit den Ordnungshütern hart
ins Gericht, die nicht mehr in der Lage seien, die Sicherheit
der Bürger zu gewährleisten.
»Warum wollte Zito dir das denn zeigen, es hat doch
nichts mit dir zu tun?« fragte Livia naiv – sie kam aus dem
Norden und verstand gewisse Anspielungen eben nicht.
Augello befragte ihn, und Tortorella führte Protokoll. Der
Commissario erzählte, daß Gegè sein Schulkamerad und
Freund gewesen sei und daß die Freundschaft die Zeiten
überdauert habe, obwohl sie beide sich in entgegengesetzten
Lagern befunden hätten. Er gab zu Protokoll, daß Gegè ihn an
jenem Abend um ein Treffen gebeten habe, sie aber nur
wenige Worte
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