Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
zersplitterte, Blech zerfetzte und
schnelle Lichtblitze die Dunkelheit rot färbten. Montalbano
blieb reglos liegen, er steckte zwischen seinem und Gegès
Auto und merkte erst jetzt, daß er seine Pistole in der Hand
hatte. Als Gegè bei ihm eingestiegen war, hatte er sie auf das
Armaturenbrett gelegt: Er mußte instinktiv nach ihr gegriffen
haben. Auf den Spektakel folgte eine bleierne Stille, nichts
rührte sich, nur das Rauschen der Brandung war zu hören.
Dann kam aus etwa zwanzig Meter Entfernung, von dort, wo
der Strand endete und sich der Mergelhügel erhob, eine
Stimme.
»Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung«, sagte eine andere Stimme, und zwar
ganz nah.
»Sieh nach, ob sie beide tot sind, dann gehen wir.«
Montalbano versuchte sich vorzustellen, was der andere
tun würde, um sich ihres Todes zu vergewissern: Pflatsch,
pflatsch, machte es auf dem nassen Sand. Der Mann mußte
jetzt dicht am Auto sein, und gleich würde er sich bücken und
reinschauen.
Montalbano sprang auf und schoß. Einmal nur. Deutlich
hörte er, wie ein Körper in den Sand fiel, ein Keuchen, fast ein
Gurgeln, dann nichts mehr.
»Giugiù, alles in Ordnung?« fragte die Stimme, die weiter
weg war.
Montalbano stieg nicht ins Auto, sondern langte von
außen durch die offene Tür hinein, faßte mit der Hand an den
Fernlichtschalter und wartete. Nichts war zu hören. Er
beschloß, auf sein Glück zu setzen, und fing im Geiste an zu
zählen. Als er bei fünfzig angekommen war, schaltete er das
Fernlicht an und richtete sich auf. Im Lichtkegel sah er, etwa
zehn Meter vor sich, einen Mann mit einer Maschinenpistole,
der überrascht stehenblieb. Montalbano schoß, der Mann
reagierte sofort und feuerte blindlings drauflos. Der
Commissario fühlte etwas wie einen heftigen Fausthieb an
seiner linken Seite, er taumelte, stützte sich mit der linken
Hand am Auto ab und schoß wieder, dreimal hintereinander.
Der Mann machte, immer noch geblendet, einen Satz, drehte
sich um und rannte davon, während Montalbano sah, wie das
weiße Licht des Scheinwerfers langsam gelb wurde, sein Blick
trübte sich, der Kopf schwirrte ihm. Er setzte sich in den Sand,
als er begriff, daß er sich nicht mehr auf den Beinen halten
konnte, und lehnte sich ans Auto.
Er wartete auf den Schmerz, und als er kam, war er so
heftig, daß er wie ein kleines Kind jammerte und weinte.
Siebzehn
Als er aufwachte, wußte er sofort, daß er im Zimmer eines
Krankenhauses lag, und erinnerte sich an alles ganz genau: das
Treffen mit Gegè, worüber sie gesprochen hatten, die Schüsse.
Die Erinnerung setzte erst da aus, wo er zwischen den beiden
Autos im nassen Sand lag und unerträgliche Schmerzen in der
Seite hatte. Aber sie setzte nicht vollständig aus, er erinnerte
sich zum Beispiel an das verstörte Gesicht und die gebrochene
Stimme von Mimì Augello.
»Wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Gleich kommt der
Krankenwagen, ist ja alles gut, sei ganz ruhig.«
Wie hatte Mimì ihn gefunden?
Später, im Krankenhaus, einer im weißen Kittel: »Er hat
zuviel Blut verloren.«
Und dann nichts mehr. Er versuchte sich umzuschauen:
Das Zimmer war weiß und sauber, durch ein großes Fenster
kam Tageslicht herein. Er konnte sich nicht bewegen, er hatte
Infusionen an den Armen, aber die Seite tat nicht weh, er
fühlte sie mehr wie einen abgestorbenen Teil seines Körpers.
Er versuchte seine Beine zu bewegen, aber es gelang ihm
nicht. Langsam glitt er in den Schlaf hinüber.
Erst gegen Abend wachte er wieder auf, das elektrische
Licht war schon an. Er machte seine Augen gleich wieder zu,
als er merkte, daß Leute im Zimmer waren; er hatte keine Lust
zu reden. Aber ein bißchen neugierig war er schon, also
öffnete er die Augen gerade so weit, daß er etwas sehen
konnte. Livia saß neben dem Bett auf dem einzigen Stuhl;
hinter ihr stand Anna. Auf der anderen Seite des Bettes,
ebenfalls stehend, Ingrid. Livias Augen waren tränennaß,
Anna schluchzte hemmungslos, Ingrid war blaß und sah
abgespannt aus.
Gesù! dachte Montalbano erschrocken.
Er schloß die Augen und flüchtete sich in den Schlaf.
Um halb sieben am – wie es ihm schien – nächsten Morgen
kamen zwei Krankenschwestern, die ihn wuschen und seinen
Verband wechselten. Um sieben erschien, gefolgt von fünf
Assistenzärzten, der Chefarzt, alle im weißen Kittel. Der
Chefarzt studierte die Krankenkarte, die am Fuß des Bettes
hing, schlug die Decke auf und
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