Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
betastete seine verletzte Seite.
»Das macht sich ja schon sehr gut«, lautete sein Urteil.
»Die Operation war erfolgreich.«
Operation? Von welcher Operation redete er? Ach ja,
wahrscheinlich haben sie die Kugel rausgeholt, die ihn verletzt
hatte. Aber die Kugel aus einer Maschinenpistole blieb
eigentlich nicht stecken, sondern durchschlug den Körper. Er
wollte fragen, um Erklärungen bitten, brachte aber keinen Ton
heraus. Doch der Chefarzt sah seinen Blick, sah die Fragen,
die in Montalbanos Augen lagen.
»Wir mußten Sie notoperieren. Die Kugel hat den
Dickdarm durchschlagen.«
Den Dickdarm? Was, zum Teufel, hatte der Dickdarm in
seiner Seite verloren? Der Dickdarm hatte doch nichts mit den
Seiten zu tun, der gehörte in den Bauch. Aber wenn er etwas
mit dem Bauch zu tun hatte, bedeutete dies etwa – sogar die
Ärzte bemerkten, wie sehr es ihn schauderte –, daß er ab sofort
für den Rest seines Lebens Breichen essen mußte?
»...Breichen?« brachte Montalbano schließlich heraus –
dieser grauenhafte Gedanke hatte seine Stimmbänder
reaktiviert.
»Was hat er gerade gesagt?« fragte der Chefarzt seine
Kollegen.
»Ich glaube, er hat ‚Eichen’ gesagt«, meinte einer.
»Nein, nein, er hat ‚Leichen’ gesagt«, mischte sich ein
anderer ein.
Noch beim Hinausgehen erörterten sie die Frage.
Um halb neun ging die Tür auf, und Catarella kam herein.
»Dottori, wie fühlen Sie sich?«
Wenn es auf der Welt einen Menschen gab, mit dem
Montalbano ein Gespräch für völlig überflüssig hielt, dann war
das Catarella. Er gab keine Antwort, bewegte nur den Kopf,
wie um zu sagen, daß es gar nicht schlimmer sein könne.
»Ich bin als Wachtposten hier und muß Sie bewachen.
Dieses Krankenhaus ist wie ein Hafen, da geht's dauernd rein
und raus. Es könnte ja sein, daß einer kommt, der was Böses
vorhat und die Sache fertig machen will. Hab' ich mich
verständlich ausgedrückt?«
Das hatte er. »Wissen Sie eigentlich, Dottori, daß ich
mein Blut für Sie gespendet habe?«
Er bezog wieder seinen Wachtposten, um ihn zu
bewachen. Voller Bitterkeit dachte Montalbano daran, daß ihn
düstere Jahre erwarteten, wenn er mit Catarellas Blut leben
und Griesbrei essen mußte.
Die ersten von ungezählten Küssen, die er im Lauf des Tages
noch bekommen sollte, gab ihm Fazio.
»Wußten Sie, Dutturi, daß Sie wie ein junger Gott
schießen? Einen haben Sie mit einem einzigen Schuß am Hals
erwischt, den anderen haben Sie verletzt.«
»Den anderen habe ich auch getroffen?«
» Sissignore, wir wissen zwar nicht wo, aber getroffen
haben Sie ihn. Das hat Dottor Jacomuzzi festgestellt, zehn
Meter von den Autos entfernt war eine rote Pfütze, das war
Blut.«
»Habt ihr den Toten identifiziert?«
»Klar.«
Er fischte einen Zettel aus der Jackentasche und las vor.
»Munafò Gerlando, geboren in Montelusa am sechsten
September 1970, ledig, wohnhaft in Montelusa, Via Crispi 43,
keine besonderen Kennzeichen.«
Er sollte sich wirklich ins Standesamt versetzen lassen!
dachte Montalbano.
»War er mit dem Gesetz in Konflikt?«
»Nein, absolut nichts. Keine Vorstrafen.«
Fazio steckte den Zettel wieder ein. »Die kriegen doch
höchstens eine halbe Million für so was.« Er schwieg,
offensichtlich wollte er ihm etwas sagen, aber es fehlte ihm
der Mut dazu. Montalbano kam ihm zu Hilfe.
»War Gegè sofort tot?«
»Er hat nicht gelitten. Die Garbe hat ihm den halben Kopf
weggerissen.«
Die anderen besuchten ihn auch. Es gab jede Menge
Küsse und Umarmungen.
Aus Montelusa kamen Jacomuzzi und Dottor Pasquano. »Du
stehst in allen Zeitungen«, sagte Jacomuzzi. Er war ergriffen,
aber auch ein bißchen neidisch.
»Ich habe es wirklich bedauert, daß ich Sie nicht
obduzieren konnte«, sagte Pasquano. »Ich wüßte zu gern, wie
es bei Ihnen drin aussieht.«
»Ich war als erster zur Stelle«, sagte Mimì Augello. »Als ich
dich in diesem Zustand und in dieser schrecklichen Situation
gesehen habe, da bin ich so erschrocken, daß ich fast in die
Hose gemacht hätte.«
»Wie hast du es erfahren?«
»Ein anonymer Anrufer hat sich im Büro gemeldet und
gesagt, an der Scala dei Turchi sei eine Schießerei. Galluzzo
hatte Dienst, er hat mich sofort angerufen. Und er hat mir was
gesagt, was ich nicht wußte. Und zwar, daß du dich oft mit
Gegè an der Stelle getroffen hast, wo die Schüsse gefallen sein
sollen.«
»Er wußte es?!«
»Anscheinend wußten es alle! Die halbe
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