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Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Titel: Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hielten sich in einem rätselhaften Gleichgewicht. Als die Araber wiederkamen, diesmal als arme Schlucker, wohnten sie wieder hier; statt Dachziegeln verwendeten sie Bleche, und anstelle von Mauern errichteten sie Trennwände aus Karton. Dorthin brachte Montalbano Aisha mit ihrem ärmlichen Bündel. Die Alte, die immer noch Onkel zu ihm sagte, wollte ihn umarmen und küssen.
    Es war schon drei Uhr nachmittags, und Montalbano, der noch nicht zum Essen gekommen war, hatte schon Bauchgrimmen vor lauter Hunger. Er ging in die Trattoria San Calogero und setzte sich hin. »Gibt's noch was zu essen?«
    »Für Sie immer.«
    Just in diesem Augenblick fiel ihm Livia ein. Er hatte sie völlig vergessen. Er stürzte ans Telefon und überlegte sich fieberhaft eine Ausrede: Livia hatte gesagt, sie käme mittags an. Sie war bestimmt schon außer sich. »Livia, mein Schatz.«
    »Ich bin gerade erst gekommen, Salvo. Das Flugzeug ist mit zwei Stunden Verspätung gestartet, und niemand hat uns gesagt, warum. Hast du dir Sorgen gemacht, Liebling?«
    »Und ob ich mir Sorgen gemacht habe«, log Montalbano schamlos, als er merkte, daß der Wind günstig für ihn stand. »Ich habe jede Viertelstunde zu Hause angerufen, aber du hast nicht abgenommen. Jetzt habe ich mich gerade am Flughafen in Punta Ràisi erkundigt, und da wurde mir gesagt, daß das Flugzeug mit zwei Stunden Verspätung gelandet ist. Da war ich natürlich beruhigt.«
    »Verzeih, Liebling, ich konnte nichts dafür. Wann kommst du?«
    »Livia, ich kann leider erst später kommen. Ich bin in Montelusa mitten in einer Besprechung, die bestimmt noch eine Stunde dauert. Dann mache ich mich sofort auf den Weg. Ach ja, noch was: Heute abend sind wir beim Questore zum Essen.«
    »Aber ich habe doch gar nichts dabei!«
    »Komm in Jeans. Und schau in den Kühlschrank, Adelina hat bestimmt was gekocht.«
    »Aber nein, ich warte auf dich, dann essen wir zusammen.«
    »Ich hab' jetzt schnell ein panino gegessen, das reicht schon. Bis nachher.« Er kehrte an seinen Tisch zurück, wo ihn bereits ein halbes Kilo knusprig gebratener triglie erwartete.
    Livia hatte sich ins Bett gelegt, sie war ein bißchen müde von der Reise. Montalbano zog sich aus und legte sich neben sie. Als sie sich küßten, rückte Livia plötzlich von ihm ab und schnupperte. »Du riechst nach Gebratenem.«
    »Kein Wunder. Ich war eine geschlagene Stunde in einer Bratküche und mußte jemanden vernehmen.« Sie liebten sich ohne Eile, sie wußten ja, daß sie alle Zeit der Welt hatten. Danach saßen sie im Bett, Kissen im Rücken, und Montalbano berichtete ihr von dem Mord an Lapecora. Im Glauben, sie zu amüsieren, sagte er, daß er Mutter und Tochter Piccirillo hatte festnehmen lassen, die soviel Wert auf ihre Ehrbarkeit legten. Er erzählte auch, wie er Ragionier Culicchia eine Flasche Wein hatte besorgen lassen, weil ihm seine Flasche abhanden gekommen war, als sie neben den Toten gerollt war. Anstatt zu lachen, wie er erwartete, sah Livia ihn kalt an. »Arschloch.«
    »Bitte?« fragte Montalbano, Haltung bewahrend wie ein englischer Lord.
    »Du bist ein Machoarsch. Diese beiden armen Frauen ziehst du in den Dreck, und dem Ragioniere, der, ohne zu zögern, mit einem Toten im Fahrstuhl rauf- und runterfährt, kaufst du eine Flasche Wein. Du mußt zugeben, daß das völlig schwachsinnig ist!«
    »Komm, Livia, so darfst du das nicht sehen.« Aber Livia sah das genau so und nicht anders. Es war schon sechs Uhr, als er sie endlich beruhigt hatte. Um sie abzulenken, erzählte er ihr die Geschichte von dem Jungen aus Villaseta, der anderen Kindern, die genauso klein waren wie er, ihre Vesper klaute.
    Aber das fand Livia auch nicht komisch. Sie schien richtig schwermütig zu werden.
    »Was ist denn? Was habe ich denn jetzt gesagt? Habe ich schon wieder was falsch gemacht?«
    »Nein, ich muß nur an diesen armen kleinen Jungen denken.«
    »Der die Schläge gekriegt hat?«
    »Nein, an den anderen. Er muß wirklich Hunger haben und verzweifelt sein. Er sprach nicht italienisch, hast du gesagt? Vielleicht ist er das Kind von Ausländern, die ja nicht mal die Luft zum Atmen haben. Vielleicht ist er auch von seinen Eltern verlassen worden.«
    » Gesu!« schrie Montalbano, den die Offenbarung wie ein Blitz traf; er schrie so laut, daß Livia erschreckt zusammenzuckte.
    »Was ist denn jetzt wieder los?«
    »Gesu!« sagte der Commissario noch mal und riß die Augen auf.
    »Was habe ich denn gesagt?« fragte Livia besorgt.

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