Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Titel: Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
eigentlich gar keine Bewegung, eher fehlte einen Augenblick lang der Widerschein des Mondlichts auf den Stoppeln und dem gelben Gestrüpp. Das konnten weder Fazio noch Grasso sein, denn er hatte diese Stelle extra unbewacht lassen wollen, um dem Jungen den Zugang zu ermöglichen, ihn regelrecht dazu einzuladen. Die Bewegung oder was es auch sein mochte, wiederholte sich, und diesmal sah Montalbano deutlich eine kleine, dunkle Gestalt, die vorsichtig näher kam. Kein Zweifel, das war der Junge.
    Langsam ging Montalbano zu Livia, wobei er sich von ihren Atemgeräuschen leiten ließ. »Wach auf, er kommt.«
    Er kehrte ans Fenster zurück, und Livia stand sofort neben ihm. Montalbano flüsterte ihr ins Ohr.
    »Sobald sie ihn haben, rennst du runter. Er ist bestimmt völlig verängstigt, aber wenn er eine Frau sieht, beruhigt er sich vielleicht. Streichel ihn, küß ihn, sag ihm, was du willst.«
    Inzwischen war der Junge am Haus angelangt, man konnte deutlich sehen, wie er den Kopf hob und zum Fenster hinaufsah. Plötzlich kam die Gestalt eines Mannes ins Blickfeld, der sich mit zwei langen Schritten auf das Kind stürzte und es packte. Es war Fazio. Livia flog die Treppe hinunter. Francois trat um sich und stieß einen langen, gequälten Schrei aus, wie ein Tier, das in ein Fangeisen geraten ist. Montalbano machte das Licht an und lehnte sich aus dem Fenster. »Bringt ihn rauf! Grasso, sag den anderen Bescheid, sie sollen herkommen!«
    Der Schrei des Jungen war verstummt, jetzt schluchzte er. Livia hatte ihn in den Arm genommen und redete auf ihn ein.
    Er war noch sehr angespannt, weinte aber nicht mehr. Mit blitzenden Augen und eindringlichem Blick beobachtete er die Gesichter um sich herum und gewann langsam Vertrauen. Er saß an dem Tisch, an dem bis vor ein paar Tagen noch seine Mutter neben ihm gesessen hatte; vielleicht wich er deshalb nicht von Livias Seite und hielt sie fest an der Hand.
    Mimi Augello, der fort gewesen war, kam mit einem Päckchen zurück; alle begriffen, daß er das einzig Richtige getan hatte. In dem Päckchen waren panini mit Schinken, Bananen, Gebäck und zwei Dosen Cola. Mimi wurde mit einem gerührten Blick von Livia belohnt, der Montalbano natürlich ärgerte, und stammelte:
    »Das… das habe ich gestern abend noch besorgt… Ich dachte, weil wir es doch mit einem hungrigen Kind zu tun haben…«
    Noch während er aß, wurde Francois immer müder und schlief schließlich ein. Nicht einmal das Gebäck schaffte er mehr: Plötzlich sank sein Kopf auf den Tisch, als hätte ihm jemand den Strom abgedreht. »Und wo bringen wir ihn jetzt hin?« fragte Fazio. »Zu uns nach Hause«, sagte Livia entschieden. Montalbano irritierte dieses »zu uns«. Und während er eine Jeans und ein T-Shirt für den Kleinen einpackte, wußte er nicht, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte.
    Der Junge schlief während der ganzen Fahrt nach Marinella und wachte auch nicht auf, als Livia ihn auszog, nachdem sie ihm auf dem Sofa im Eßzimmer ein Bett zurechtgemacht hatte.
    »Und wenn er aufwacht und wegläuft, während wir schlafen?« fragte der Commissario.
    »Ich glaube nicht, daß er das tut«, beruhigte Livia ihn. Doch vorsichtshalber machte Montalbano das Fenster zu, ließ den Rolladen herunter und schloß die Haustür zweimal ab.
    Auch Montalbano und Livia legten sich ins Bett, aber obwohl sie so müde waren, konnten sie lange nicht einschlafen: Die Gegenwart von Francois, den sie im anderen Zimmer atmen hörten, bereitete ihnen unerklärliches Mißbehagen.
    Gegen neun Uhr morgens - was für den Commissario sehr spät war - wurde er wach; er stand vorsichtig auf, um Livia nicht zu stören, und sah nach Francois. Auf dem Sofa lag der Junge nicht, im Bad war er auch nicht. Er war abgehauen, wie er befürchtet hatte. Aber wie, zum Teufel, hatte er das angestellt, wenn die Tür abgesperrt und der Rolladen noch heruntergelassen war? Montalbano sah an allen Stellen nach, an denen er sich hätte verstecken können. Nichts, er war wie vom Erdboden verschluckt. Er mußte Livia wecken, ihr sagen, was los war, und sich mit ihr beraten. Als er seine Hand ausstreckte, sah er den Kopf des Jungen neben der Brust seiner Livia. Sie schliefen Arm in Arm.

Neun
    »Commissario? Bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie zu Hause störe. Haben Sie heute vormittag Zeit, damit ich Ihnen berichten kann?«
    »Natürlich, ich komme nach Montelusa.«
    »Nein, ich komme nach Vigàta. Wir könnten uns in einer Stunde in Lapecoras Büro

Weitere Kostenlose Bücher