Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
habe Briefbögen und Umschläge bei ihm bestellt, deren Briefkopf und Absender etwas anders als die vorherigen lauten sollten. Signor Arelio habe schon seit zwanzig Jahren bei ihm bestellt, und sie seien Freunde geworden.
»Worin bestand die Änderung?«
»Import-Export anstelle von Importazione-Esportazione. Aber ich habe ihm abgeraten.«
»Hätten Sie es nicht geändert?«
»Ich meinte nicht den Briefkopf, sondern seine Idee, das Geschäft wiederaufzunehmen. Seit fast fünf Jahren war er schon im Ruhestand, und inzwischen hat sich die Situation verändert, die Firmen gehen pleite, es sind schlechte Zeiten. Wissen Sie, was er gemacht hat, anstatt mir zu danken? Er ist wütend geworden. Er sagte, er würde schließlich Zeitung lesen und fernsehen und wüßte über die Lage genau Bescheid.«
»Haben Sie ihm das Paket mit der bestellten Ware nach Hause oder ins Büro geschickt?«
»Er wollte unbedingt, daß ich sie ins Büro schicke, an einem ungeraden Wochentag, und das habe ich auch getan. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber wenn Sie wollen…«
»Es ist nicht wichtig.«
»Aber die Rechnung habe ich der Signora geschickt, Signor Lapecora kommt jetzt ja wohl kaum noch im Büro vorbei.« Er lachte.
»Ihr Espresso ist fertig, Commissario«, sagte der Barmann im Café Albanese.
»Sag mal, Totò, war Signor Lapecora manchmal mit Freunden hier?«
»Klar! Jeden Dienstag. Sie unterhielten sich oder spielten Karten. Es waren immer dieselben.«
»Wie heißen sie denn?«
»Also, da war Ragionier Pandolfo…«
»Warte, gib mir mal das Telefonbuch.«
»Sie brauchen ihn nicht anzurufen. Es ist der ältere Signore an dem Tisch da drüben, der die granita ißt.« Montalbano nahm seine Tasse und trat zu dem Ragioniere.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Meinetwegen, Commissario.«
»Danke. Kennen wir uns?«
»Ich Sie schon, Sie mich nicht.«
»Ragioniere, Sie haben öfters mit dem Verstorbenen Karten gespielt?«
»Was heißt hier öfters! Nur dienstags. Denn das war so: Montag, Mittwoch und…«
»Freitag war er im Büro«, vollendete Montalbano die mittlerweile bekannte Litanei. »Was möchten Sie denn wissen?«
»Warum wollte Signor Lapecora sein Geschäft wiederaufnehmen?«
Der Ragioniere schien aufrichtig erstaunt. »Wiederaufnehmen? Wieso denn das? Uns hat er davon nichts erzählt. Wir wußten alle, daß er zum Zeitvertreib und aus alter Gewohnheit ins Büro ging.«
»Hat er Ihnen von der Frau - einer gewissen Karima - erzählt, die stundenweise das Büro saubermachte?« Ein Zucken der Pupillen, ein unmerkliches Zögern, was Montalbano entgangen wäre, hätte er ihn nicht genau im Auge behalten.
»Warum sollte er mir von seiner Putzfrau erzählen?«
»Kannten Sie Lapecora gut?«
»Wen kennt man schon gut? Vor dreißig Jahren lebte ich in Montelusa und hatte einen Freund, einen klugen Kerl, klarer Kopf, intelligent, witzig, aufgeweckt, ausgeglichen. Was man sich nur wünscht. Außerdem war er äußerst großzügig, wirklich ein Engel, er half jedem, der in Not war. Eines Abends brachte seine Schwester ihren kleinen Sohn zu ihm, er war noch nicht einmal sechs Monate alt. Mein Freund sollte nur zwei Stunden auf ihn aufpassen. Kaum war die Schwester aus der Tür, nahm er ein Messer, zerstückelte das Kind und kochte sich eine Suppe mit ein bißchen Petersilie und einer Knoblauchzehe. Das ist kein Witz, sage ich Ihnen. Ich war am selben Tag noch mit ihm zusammengewesen, und er war wie immer, ganz klar im Kopf und freundlich. Um auf den seligen Lapecora zurückzukommen - ja, ich kannte ihn schon, zum Beispiel habe ich gemerkt, daß er seit etwa zwei Jahren ziemlich verändert war.«
»Inwiefern?«
»Na ja, er war nervös, er lachte nicht mehr, fing immer gleich Streit an, motzte bei jeder Gelegenheit. So war er früher nicht.«
»Können Sie sich vorstellen, woher das kam?«
»Eines Tages habe ich ihn gefragt. Es sei ein gesundheitliches Problem, hat er geantwortet, eine beginnende Arteriosklerose, das hätte ihm der Arzt gesagt.«
In Lapecoras Büro setzte Montalbano sich gleich an die Schreibmaschine. Er öffnete die Schublade des Tischchens, da lagen Umschläge und Papierbögen, die den früheren Absender und Briefkopf trugen und schon stark vergilbt waren. Er nahm ein Blatt, holte den Umschlag, den Signora Antonietta ihm gegeben hatte, aus seiner Jackentasche, und schrieb die Adresse mit der Maschine ab - die Probe aufs Exempel, falls eine solche überhaupt notwendig war. Die Rs sprangen
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