Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
unbedingt notwendig, ihn zu fassen.«
»Haben Sie ihn erwischt?«
»Ja.«
»Und was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Ich habe ihn zu mir nach Hause gebracht, Livia kümmert sich um ihn.«
»Montalbano, sind Sie wahnsinnig geworden? Bringen Sie ihn auf der Stelle zu seinen Eltern zurück!«
»Er hat keine, möglicherweise ist er ein Waisenkind.«
»Was heißt hier »möglicherweise«? Finden Sie das gefälligst heraus!«
»Ich bin ja schon dabei, aber Francois…«
» Oddio, wer ist denn das?«
»So heißt der Junge.«
»Ist er kein Italiener?«
»Nein, Tunesier.«
»Hören Sie zu, Montalbano, wir lassen es für den Augenblick gut sein, mir ist das jetzt wirklich zuviel. Aber morgen früh kommen Sie zu mir nach Montelusa und erklären mir alles.«
»Das geht nicht, ich bin morgen vormittag nicht in Vigàta. Glauben Sie mir, es ist sehr wichtig, ich will mich wirklich nicht drücken.«
»Dann eben am Nachmittag. Wehe, Sie kommen nicht! Und liefern Sie mir eine Verteidigungsstrategie, Onorevole Pennacchio wird dasein…«
»Der Abgeordnete, der wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung im Stil der Mafia angeklagt wurde?«
»Genau der. Er plant eine Anfrage beim Minister. Er will Ihren Kopf.«
Kein Wunder - Montalbano hatte die Ermittlungen gegen den Abgeordneten geleitet.
»Nicolò? Hier ist Montalbano. Ich muß dich um einen Gefallen bitten.«
»Das ist ja ganz was Neues. Sag schon.«
»Wie lange bist noch bei >Retelibera«
»Ich mache noch die Spätnachrichten, dann gehe ich nach Hause.«
»Jetzt ist es zehn. Wenn ich dir spätestens in einer halben Stunde ein Foto bringe, kannst du das dann in den letzten Nachrichten noch bringen?«
»Klar, komm nur.«
Er hatte doch gleich gewußt, daß diese Geschichte mit der Santopadre, dem Fischkutter, nichts für ihn war; er hatte ja auch alles dafür getan, sie sich vom Leibe zu halten. Aber jetzt hatte der Fall ihn am Wickel und dafür gesorgt, daß er mit der Nase mitten hineingestupst wurde, wie ein Kätzchen, dem man beibringen will, daß es nicht überall hinpinkeln darf. Livia und Francois hätten nur ein bißchen später zurückkommen müssen, dann hätte der Kleine nicht das Bild seines Onkels gesehen, sie hätten in aller Ruhe essen können, und alles wäre seinen rechten Weg gegangen. Er verfluchte sein Bullenhirn, das sich nie abschalten ließ. Ein anderer hätte an seiner Stelle gesagt: »Tatsächlich? Das Kind hat seinen Onkel wiedererkannt? Was für ein lustiger Zufall!« Und hätte die erste Gabel zum Mund geführt. Aber er konnte das nicht, er wollte es ja immer unbedingt wissen. Jagdinstinkt hatte Hammett das genannt, und der verstand was von diesen Dingen. »Wo ist das Foto?« fragte Zito, kaum daß Montalbano eingetreten war.
Es war das Foto von Karima und ihrem Sohn. »Soll ich es ganz aufnehmen lassen? Oder willst du irgendein Detail haben?«
»So wie es ist.«
Nicolò Zito ging hinaus und kam kurz darauf ohne Foto wieder. Er setzte sich gemütlich hin. »Und jetzt erzähl mal. Vor allem diese Geschichte mit dem Eierkuchendieb, die Pippo Ragonese so lächerlich findet, ich aber nicht.«
»Nicolo, glaub mir, ich hab' keine Zeit.«
»Nein, das glaube ich dir nicht. Eine Frage: Ist der Junge, der das Essen geklaut hat, der von dem Foto?«
Nicolò war gefährlich intelligent. Es war besser, ihm nicht zu widersprechen.
»Ja, das ist er.«
»Und wer ist die Mutter?«
»Eine Frau, die mit Sicherheit in den Mord von vor ein paar Tagen verwickelt ist, du weißt schon, die Leiche im Fahrstuhl. Und jetzt keine weiteren Fragen mehr. Ich verspreche dir, daß du es als allererster erfahren wirst, sobald mir selbst die Sache etwas klarer ist.«
»Sagst du mir wenigstens, wie ich das Foto kommentieren soll?«
»Ach ja, genau. Du mußt reden wie jemand, der eine traurige, ergreifende Geschichte erzählt.«
»Spielst du jetzt auch noch den Regisseur?«
»Du mußt sagen, daß eine alte Tunesierin, in Tränen aufgelöst, zu dir gekommen ist und dich angefleht hat, das Foto im Fernsehen zu zeigen. Die Alte hat seit drei Tagen weder von der Frau noch von dem Jungen etwas gehört. Sie heißen Karima und Francois. Wer sie gesehen hat und so weiter und so fort, Anonymität zugesichert und so weiter und so fort, im Kommissariat anrufen und so weiter und so fort.«
»Du kannst mich mal mit deinem Und-so-weiter-und-so-fort«, sagte Nicolò Zito.
Zu Hause ging Livia gleich ins Bett, den Jungen nahm sie mit; Montalbano blieb auf und
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