Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
ungewöhnlichen Anfall von gesundem Menschenverstand hatte der Direktor einer Schule in Mazàra, ohne das Schulamt einzuschalten, Räume zur Verfügung gestellt, damit tunesische Kinder unterrichtet werden konnten.
»Ja, aber ich habe mich vertreten lassen. Kann ich irgendwie helfen?«
»Sie können vielleicht etwas klären.«
»Worum geht es denn?«
»Nicht um etwas, sondern um jemanden. Ben Dhahab.« Valente und Montalbano hatten beschlossen, dem Lehrer erst mal nur Andeutungen zu machen und ihm dann, je nachdem, wie Rahman reagierte, die Geschichte ganz zu erzählen oder auch nicht.
Als Rahman diesen Namen hörte, machte er kein Hehl aus seinem Mißbehagen. »Bitte, fragen Sie.«
Valente sollte die Partie übernehmen, Montalbano war ja nur Gast.
»Kannten Sie ihn?«
»Er kam vor ungefähr zehn Tagen zu mir. Er kannte meinen Namen und wußte von meiner Tätigkeit. Letzten Januar, glaube ich, ist in Tunis nämlich ein Artikel erschienen, in dem von unserer Schule die Rede war.«
»Was hat er Ihnen erzählt?«
»Daß er Journalist sei.«
Valente und Montalbano warfen sich einen schnellen Blick zu.
»Er plante eine Reportage über das Leben unserer Landsleute in Mazàra. Aber er hatte vor, sich als Arbeitsuchender auszugeben. Er wollte sich sogar anheuern lassen. Ich machte ihn mit meinem Kollegen El Madani bekannt. Der verwies Ben Dhahab an Signora Pipìa, die ihm ein Zimmer vermietete.«
»Haben Sie ihn danach noch mal gesehen?«
»Ja, wir trafen uns ein paar Mal zufällig. Wir waren auch zusammen auf einem Fest. Er hatte sich sozusagen perfekt integriert.«
»Haben Sie ihm den Job an Bord besorgt?«
»Nein. Und auch El Madani nicht.«
»Wer hat die Beerdigung bezahlt?«
»Wir haben eine kleine Kasse für Notfälle eingerichtet.«
»Woher hatte der Fernsehsender das Foto und all die Angaben zu Ben Dhahab?«
»Von mir. Schauen Sie, zu diesem Fest, von dem ich gerade gesprochen habe, erschien auch ein Fotograf. Ben Dhahab protestierte, er sagte, er wolle nicht fotografiert werden. Aber das hatte der Fotograf schon getan. Und als dann dieser Fernsehjournalist kam, holte ich mir das Foto, gab es ihm und sagte ihm das wenige, was ich über Ben Dhahab wußte.«
Rahman wischte sich den Schweiß ab. Er fühlte sich immer unbehaglicher. Valente war ein tüchtiger Polizist und ließ ihn schmoren.
»Aber etwas war merkwürdig«, entschloß sich Rahman zu sagen.
Montalbano und Valente schienen nicht gehört zu haben, und man hätte meinen können, sie seien in Gedanken ganz woanders, dabei waren sie hellwach wie Katzen, die die Augen geschlossen halten und vorgeben zu schlafen, in Wirklichkeit aber Sterne zählen.
»Gestern habe ich in Tunis bei der Zeitung angerufen, um sie über diesen unglücklichen Vorfall zu informieren und zu fragen, was mit dem Leichnam geschehen soll. Als ich dem Chefredakteur sagte, Ben Dhahab sei tot, hat er gelacht. Er sagte, das sei ja wohl ein schlechter Scherz, denn Ben Dhahab befinde sich im Augenblick im Nebenzimmer und telefoniere. Dann hat er aufgelegt.«
»Könnte es sich nicht um eine Namengleichheit handeln?« fragte Valente ihn herausfordernd.
»Niemals! Er hat sich mir gegenüber ganz klar ausgedrückt. Er sagte, er sei im Auftrag der Zeitung hier. Dann hat er also gelogen.«
»Wissen Sie, ob er Verwandte in Sizilien hatte?« mischte sich zum ersten Mal Montalbano ein.
»Ich weiß es nicht, wir haben nicht darüber gesprochen. Wenn er in Mazàra welche gehabt hätte, hätte er sich doch nicht an mich gewandt.«
Valente und Montalbano berieten sich wieder mit einem Blick, und Montalbano gab dem Freund wortlos seine Zustimmung, den Schuß abzufeuern. »Sagt Ihnen der Name Ahmed Moussa etwas?« Das war kein Flintenschuß, sondern ein richtiger Kanonendonner. Rahman sprang von seinem Stuhl auf, sank wieder zurück und fiel in sich zusammen. »Was… was… was hat denn Ahmed Moussa damit zu tun?« stammelte der Lehrer und rang nach Luft. »Verzeihen Sie mir meine Unwissenheit«, fuhr Valente ungerührt fort. »Wer ist denn dieser Signore, daß er Ihnen einen solchen Schrecken einjagt?«
»Er ist ein Terrorist. Einer, der… ein Mörder. Ein äußerst gefährlicher Mann. Aber was… was hat er damit zu tun?«
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß Ben Dhahab in Wirklichkeit Ahmed Moussa ist.«
»Mir ist nicht gut«, ließ Professor Rahman sich mit fadendünner Stimmevernehmen.
Aufgewühlt erzählte ihnen Rahman, der fix und fertig war, daß Ahmed Moussa, dessen
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