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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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vielleicht dachte Pellegrino, die beiden Polizisten hät­ten darüber gesprochen, als Fazio hinausgerufen worden war, und wunderte sich nicht über die Frage. »Das ist nicht mein Haus. Es gehört meinem Neffen, dem Sohn meines Bruders. Er heißt wie ich.«
    »Ah!«, rief Montalbano und mimte den Überraschten. »Ich verstehe, Ihr Neffe war bei der >König Midas< angestellt, nicht wahr?«
    » Sissignore, stimmt.«
    »Aber sagen Sie, wieso erstatten Sie Anzeige und nicht Ihr Neffe, wenn er der Eigentümer ist?«
    »Signor Pellegrino hat eine Vollmacht«, mischte sich Fazio ein.
    »Vielleicht arbeitet Ihr Neffe zu viel und kann sich nicht selbst.«
    »Nein«, sagte der Mann. »Es war so, wie ich's gesagt habe. Vor einem Monat, einen Tag bevor dieser Scheißkerl Gar­gano kommen sollte.«
    »Hat er Ihnen auch Geld abgenommen?«
    » Sissignore, alles, was ich hatte. Am Tag vorher ist mein Neffe morgens nach Montereale gekommen und hat er­zählt, dass Gargano ihn angerufen und beauftragt hätte, in einer geschäftlichen Angelegenheit nach Deutschland zu reisen. Er sollte um vier Uhr nachmittags von Palermo abfliegen. Mein Neffe hat gesagt, dass er mindestens einen Monat lang weg ist, und ich sollte mich um den Bau küm­mern. Er müsste in ein paar Tagen zurück sein.«
    »Wenn ich ihn sprechen muss, kann ich ihn in Vigàta also nicht erreichen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie eine Adresse, eine Telefonnummer Ihres Nef­fen in Deutschland?«
    »Sie scherzen wohl.«

Fünf
    Wieso eigentlich konnte er, seit Geometra Garzullo selig mit gezücktem Revolver die »König Midas«-Agentur in Vigàta betreten und gedroht hatte, ein Blutbad anzurich­ten, wieso konnte er seitdem keinen Schritt mehr tun, ohne auf etwas zu stoßen, das mehr oder weniger direkt mit dem verschwundenen Ragioniere Gargano zu tun hatte? Während der Commissario an die Serie von Zufäl­len dachte, wie man ihnen entweder in einem zweitklas­sigen Kriminalroman oder im banalsten Alltag begegnet, trat Fazio ein.
    »Jetzt hab ich Zeit, Dottore. Aber Sie müssen mir erst noch was erklären. Woher wissen Sie, wo Pellegrinos Haus steht? Ich hab's Ihnen nicht gesagt. Könnte ich das erfahren?«
    »Nein.«
    Fazio breitete die Arme aus. Der Commissario beschloss, sich abzusichern, bei Fazio war man besser auf der Hut, der war ein richtiger Bulle.
    »Und ich weiß auch, dass jemand die Fensterscheiben im Erdgeschoss eingeschlagen und Schneewittchen und die sieben Zwerge zerbröselt und >Arschloch< auf alle vier Wände geschrieben hat. Stimmt's?«
    »Stimmt. Und zwar mit einem Vorschlaghammer und grü­nem Farbspray, beides von dort.«
    »Sehr gut. Und was denkst du jetzt? Dass ich mit den Raben rede? Dass ich eine Glaskugel habe? Dass ich zau­bern kann?«, fragte Montalbano und wurde von Frage zu Frage zorniger.
    »Nein. Aber Sie brauchen nicht sauer zu sein.«
    »Doch, ich bin sauer! Ich bin heute früh da vorbeigekom­men. Ich wollte sehen, wie's dem Olivenbaum geht.«
    »Und? Geht's ihm gut?«, fragte Fazio mit leiser Ironie, denn er kannte sowohl den Baum als auch den Felsen, die beiden Plätze, an denen sein Chef hin und wieder Zu­flucht suchte.
    »Es gibt ihn nicht mehr. Sie haben ihn gefällt, um Platz für das Haus zu schaffen.«
    Fazio wurde sehr ernst, so als hätte Montalbano ihm ge­sagt, dass ein ihm nahe stehender Mensch gestorben sei. »Ich verstehe«, murmelte er. »Was verstehst du?«
    »Nichts. Hatten Sie einen Auftrag für mich?«
    »Ja. Nachdem wir gehört haben, dass Giacomo Pellegrino sich in Deutschland amüsiert, musst du mir bitte die Adresse von Signorina oder Signora Michela Manganaro heraussuchen, die bei Gargano angestellt war.«
    »Ich bring sie Ihnen in einer Minute. Soll ich vorher noch zu Brucale und Ihnen ein neues Hemd kaufen?«
    »Ja, bitte, kauf mir gleich drei, wenn du schon hingehst. Aber wie kommst du darauf, dass ich keine Hemden mehr habe? Jetzt redest ja du mit den Raben oder zauberst!«
    »Dazu braucht man nicht mit den Raben zu reden, Dot­tore. Sie haben heute Morgen kein frisches Hemd angezo­gen, aber das hätten Sie tun sollen, weil eine Manschette voller getrockneter Farbflecken ist. Grüner Flecken«, be­tonte er grinsend und ging hinaus.
    Signorina Michela Manganaro wohnte mit ihren Eltern in einer zehnstöckigen Mietskaserne beim Friedhof. Montalbano wollte sein Kommen nicht ankündigen, weder telefo­nisch noch über die Sprechanlage. Er hatte gerade geparkt, als er einen alten Mann durch die Haustür kommen sah.

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