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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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bevor Sie anfangen zu essen?«
    Der Commissario nickte, er hatte keine Lust zu reden. Ein Krug wurde vor ihn hingestellt, ein Liter schwerer Rot­wein. Montalbano schenkte sich ein Glas ein und steckte die erste Gabel in den Mund. Die Luft blieb ihm weg, er hustete, und Tränen traten ihm in die Augen. Er hatte das deutliche Gefühl, alle seine Geschmackspapillen hätten Feuer gefangen. Er leerte das Glas auf einen Zug, und der Wein war, was den Alkoholgehalt betraf, auch nicht von schlechten Eltern.
    »Immer langsam und vorsichtig«, riet der Wirt und Kell­ner.
    »Was ist denn da drin?«, fragte Montalbano halb erstickt. »Öl, eine halbe Zwiebel, zwei Knoblauchzehen, zwei gesal­zene Anchovis, ein Teelöffel Kapern, schwarze Oliven, To­maten, Basilikum, ein halber scharfer Peperoncino, Salz, Schafskäse und schwarzer Pfeffer«, zählte der Schnauzbart mit leisem Sadismus in der Stimme auf. »Jesus Maria«, sagte Montalbano. »Und wer kocht bei Ihnen?«
    » Mè mogliere, meine Frau«, sagte der Schnauzbart und ging drei neuen Gästen entgegen.
    Im Wechsel mit den Gabelbissen trank Montalbano schluckweise Wein und stöhnte, mal als läge er in den letz­ten Zügen, mal vor überwältigender Lust (kann Essen so erschöpfend lustvoll sein wie Sex?, fragte er sich mitten­drin), und so traute er sich sogar, mit Brot die im Teller ver­bliebenen Saucenreste zu essen, wobei er sich ab und zu den Schweiß von der Stirn wischte. »Was wollen Sie als zweiten Gang, Signore?« Der Commissario wusste, dass der Wirt ihm mit diesem »Signore« militärische Ehren erwies. »Nichts.«
    »Recht so. Das Dumme an den pirciati ch'abbrusciano ist, dass man erst man nächsten Tag wieder was schmeckt.« Montalbano bat um die Rechnung, die ein Witz war, zahlte, stand auf und wollte schon grußlos, wie es sich gehörte, hinausgehen, da sah er direkt neben der Tür ein großes Foto, unter dem stand:
    EINE MILION BELONUNG FÜR HINWEISE ÜBER DISEN MANN.
    »Wer ist das?«, fragte er, an den Schnauzbart gewandt. »Kennen Sie den nicht? Das ist dieser Scheißkerl, dieses Arschloch von Ragioniere Gargano, der…«
    »Was wollen Sie von ihm?«
    »Ich hol ihn mir und schneide ihm die Kehle durch.«
    »Was hat er Ihnen getan?«
    »Mir nichts. Aber meiner Frau, die hat er um dreißig Mil­lionen gebracht.«
    »Bestellen Sie der Signora, dass sie gerächt werden wird«, sagte der Commissario feierlich und legte sich eine Hand auf die Brust.
    Er merkte, dass er vollkommen betrunken war.
    Das Mondlicht war unheimlich, fast taghell. Montalbano fuhr leichtsinnig, und das wusste er auch: In den Kurven kam er ins Schleudern, mal fuhr er zehn, mal hundert Stundenkilometer. Auf halbem Weg zwischen Montelusa und Vigàta sah er von weitem die Reklametafel, hinter der sich der Feldweg zu dem verfallenen Häuschen mit dem sarazenischen Olivenbaum verbarg. Nachdem er auf den letzten drei Kilometern einem Frontalzusammenstoß mit zwei entgegenkommenden Autos nur knapp entgangen war, beschloss er, abzubiegen und seinen Rausch in den Ästen des Baumes auszuschlafen, den er seit fast einem Jahr nicht mehr besucht hatte.
    Als er nach rechts in den Weg einbog, glaubte er, er habe sich geirrt, denn anstelle des schmalen Feldwegs war da jetzt ein breiter Asphaltstreifen. Vielleicht hatte er die Re­klametafel mit einer anderen verwechselt. Er setzte zurück und stieß gegen einen Pfeiler der Reklametafel, die sich ge­fährlich neigte. FERRAGUTO MOBILI MONTELUSA. Kein Zweifel, es war die richtige Werbung. Er fuhr auf den ehe­maligen Feldweg zurück und stand nach etwa hundert Me­tern vor dem Zaun eines neu gebauten Landhauses. Das kleine Bauernhaus war nicht mehr da, der sarazenische Olivenbaum war nicht mehr da. Er fand sich nicht zurecht, erkannte nichts von der gewohnten Landschaft wieder. Konnte ihn ein Liter Wein, auch wenn er schwer war, so zurichten? Montalbano stieg aus und pinkelte und blickte dabei in alle Richtungen. Das Mondlicht ermöglichte eine gute Sicht, aber was er sah, war ihm fremd. Er holte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und begann um den Zaun herumzugehen. Das Haus war fertig gebaut und eindeutig unbewohnt, die Fensterscheiben hatten zum Schutz noch die gekreuzten Streifen Klebepapier. Der ein­gezäunte Garten war ziemlich groß, eine Art Pavillon war im Bau, daneben lag auf einem Haufen das Arbeitsgerät, Schaufeln, Pickel, Eimer für den Mörtel. Als er hinter das Haus kam, lief er in etwas hinein, was er im ersten Mo­ment für einen

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