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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Literaturkritik früher hieß. Und absolute Gewissheit hatte er gleich darauf. Bestimmt hatte sich die junge Frau Mimi hingegeben (so drückt man sich in Gegenwart altmodischer Eltern aus), und Mimi hatte sie, nachdem er ihr beigewohnt hatte, darüber aufgeklärt, dass er verlobt war und demnächst heiratete, und ihr den Laufpass gegeben. Er stand auf. Alle standen auf. »Tut mir wirklich sehr Leid«, sagte er.
    Alle zeigten sich verständnisvoll.
    »So was kommt vor«, sagte der Papagei.
    Eine kleine Prozession formierte sich. Das Mädchen vorn, hinter ihr der Commissario, dann der Vater und dahinter die Mutter. Mit Blick auf den wogenden Gang vor sich schickte Montalbano einen neidgelben Gedanken an Mimi.
    Die junge Frau öffnete die Tür und gab ihm die Hand.
    »Freut mich, dass wir uns kennen gelernt haben«, sagte sie mit den Lippen. Und mit den Augen: Warte auf mich.
    Er wartete über eine halbe Stunde, das Minimum an Zeit, das Michela brauchte, um sich gehörig aufzuputzen und die Rötung ihrer hübschen Nase verschwinden zu lassen. Als Montalbano sah, wie sie in der Haustür erschien und sich umblickte, hupte er kurz und öffnete die Autotür. Die junge Frau ging mit gleichgültiger Miene langsam auf den Wagen zu, aber als sie an der Tür angekommen war, stieg sie ganz schnell ein, zog die Tür zu und sagte: »Weg hier.«
    Montalbano konnte noch feststellen, dass Michela verges­sen hatte, einen Büstenhalter anzuziehen, dann legte er den Gang ein und fuhr los.
    »Das war ein Kampf, meine Eltern wollten mich nicht gehen lassen, sie befürchten einen Rückfall«, sagte das Mädchen. Und dann fragte sie: »Wo können wir reden?«
    »Wollen Sie ins Kommissariat?«
    »Und wenn ich diesen Arsch treffe?« So wurden Montalbanos schlimmste (und schönste) Ah­nungen auf einen Schlag bestätigt.
    »Außerdem gefällt es mir im Kommissariat nicht«, fügte Michela hinzu. »In eine Bar?«
    »Sie scherzen wohl? Die Leute ziehen sowieso schon über mich her. Aber Ihretwegen besteht da keine Gefahr.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil Sie mein Vater sein könnten.«
    Ein Dolchstoß wäre ihm ileber gewesen. Das Auto kam leicht ins Schleudern.
    »Treffer, versenkt«, stellte das Mädchen fest. »Diese Me­thode funktioniert ganz gut, um aufdringlichen alten Män­nern einen Dämpfer zu verpassen. Aber es kommt darauf an, wie man es sagt.«
    Und sie wiederholte mit noch tieferer und heisererer Stimme:
    »Sie könnten mein Vater sein.«
    Sie verstand es, den ganzen Beigeschmack des Verbotenen, des Inzests in ihre Stimme zu legen.
    Montalbano konnte nicht anders, als sie nackt neben sich zu sehen, auf dem Bett, schweißgebadet und keuchend. Dieses Mädchen war gefährlich, sie war nicht nur schön, sie war auch ein Luder.
    »Also, wo fahren wir hin?«, fragte er streng. »Wo wohnen Sie denn?«
    'Nzamà, Signuri! Nie und nimmer! Da konnte er ebenso gut eine tickende Bombe mit nach Hause nehmen. »Bei mir zu Hause sind Leute.«
    »Verheiratet?«
    »Nein. Könnten Sie sich mal entscheiden?«
    »Vielleicht weiß ich was«, sagte Michela. »Fahren Sie die zweite Straße rechts.«
    Der Commissario bog schnell in die zweite rechts ein. Es war eine jener seltenen Straßen, bei denen man gleich weiß, worauf sie hinauswollen: aufs offene Land. Sie zeigen es einem an den Häusern, die immer kleiner werden, bis sie nicht viel mehr als Würfel mit ein biss­chen Grün außen herum sind, an den Strom- und Tele­grafenmasten, die plötzlich nicht mehr in Reih und Glied stehen, am Straßenbelag, der allmählich dem Gras den Vortritt lässt. Dann hörten auch die weißen Würfel auf.
    »Soll ich noch weiterfahren?«
    »Ja. Gleich kommt links ein Feldweg, aber der ist gut in Schuss, Sie brauchen sich um ihr Auto nicht zu sorgen.« Montalbano bog in den Weg ein und befand sich kurz dar­auf mitten in einem Wald, in dem Araukarien und Wild­gräser wuchsen.
    »Heute ist niemand da«, sagte das Mädchen, »weil kein Wochenende ist. Sie müssten mal sehen, was samstags und sonntags hier los ist!«
    »Kommen Sie oft hierher?«
    »Gelegentlich.«
    Montalbano kurbelte das Fenster herunter und griff nach der Zigarettenschachtel. »Stört es Sie…«
    »Nein. Geben Sie mir auch eine.«
    Sie rauchten schweigend. Als er seine Zigarette halb ge­raucht hatte, fing der Commissario an. »Also, ich würde das System, das Gargano sich ausgedacht hat, gern besser verstehen.«
    »Stellen Sie mir konkrete Fragen.«
    »Wo wurde das Geld verwahrt, das Gargano den Leuten

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