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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hinunter.
    Wie kann man nur so leichtsinnig sein?, fragte er sich be­trübt.
    Aus der Angst wurde Panik. Er konnte sich nicht gegen sie wehren und tauchte blitzschnell auf, wobei er mit dem Kopf gegen Augellos Gesicht knallte, der sich weit aus dem Boot gelehnt hatte.
    »Du hättest mir fast die Nase blutig geschlagen«, sagte Mimi und befingerte sie.
    »Dann geh halt weg da«, erwiderte der Commissario und klammerte sich an das Schlauchboot. War das möglich, dass es schon Nacht war? Er sah immer noch nichts. Er hörte nur, dass er keuchte, als läge er im Sterben. »Warum machst du deine Augen nicht auf?«, fragte Augello besorgt.
    Erst da begriff der Commissario, dass er die ganze Zeit über beim Tauchen die Augen fest geschlossen hatte, eine hartnäckige Weigerung, zu akzeptieren, was er tat. Er öff­nete die Augen. Zur Bestätigung schaltete er die Taschen­lampe an, die einwandfrei funktionierte. Ein paar Minuten verharrte er so, sich im Stillen verfluchend, und als er spürte, dass sein Herzschlag wieder normal war, ließ er sich erneut hinunter. Jetzt war er ruhig, die Angst vorhin war bestimmt auf diese erste unangenehme Begegnung mit dem Meer zurückzuführen. Eine natürliche Reaktion. Er war in fünf Meter Tiefe. Als er den Lichtstrahl weiter nach unten richtete, fuhr er zusammen, er traute seinen Augen nicht. Er schaltete die Taschenlampe aus, zählte langsam bis drei, knipste sie wieder an. Drei, vier Meter weiter unten steckte, eingekeilt zwischen der Wand und einem weißen Felsen, ein Autowrack. Vor Aufregung ließ er die Luft aus der Lunge. Rasch tauchte er wieder auf.
    »Fündig geworden? Zackenbarsche? Stöcker?«, spottete Mimi, der sich ein nasses Taschentuch an die Nase hielt. »Hab ich Schwein gehabt, Mimi. Das Auto ist da unten. Es wurde runtergeworfen oder ist abgestürzt. Ich hatte heute Morgen richtig gesehen, die Reifenspuren gehen oben bis an die Kante. Ich geh jetzt noch mal runter und seh was nach, dann fahren wir zurück.«
    Mimi hatte in weiser Voraussicht eine Plastiktüte mit Handtüchern und eine noch nicht angebrochene Flasche Whisky mitgenommen. Mit seinen Fragen wartete Au­gello, bis der Commissario den Taucheranzug ausgezogen und sich abgetrocknet und wieder angekleidet hatte. Er wartete noch, bis sein Chef gierig getrunken hatte, und trank dann selbst. Schließlich fragte er: »Und? Was hast du zwanzigtausend Meilen unter dem Meer gesehen?«
    »Mimi, du machst jetzt einen auf witzig, weil du nicht zugeben willst, dass ich dir um Nasenlängen voraus bin. Du hast diesen Fall auf die leichte Schulter genommen, das hast du selber gesagt, und jetzt hab ich's dir gezeigt. Gib mir die Flasche.«
    Er nahm einen tiefen Schluck und reichte die Flasche Augello, der es ihm nachtat. Aber nach Montalbanos Wor­ten war der Genuss natürlich etwas geschmälert. »Also?«, fragte er geknickt.
    »In dem Auto ist eine Leiche. Ich weiß nicht, wer es ist, sie sieht ziemlich übel aus. Bei dem Aufprall haben sich die Türen geöffnet, kann sein, dass eine zweite Leiche in der Nähe ist. Der Kofferraum ist auch offen. Und weißt du, was noch drin ist? Ein Moped. Das wär's.«
    »Und was tun wir jetzt?«
    »Der Fall gehört uns nicht. Also informieren wir die zu­ständige Stelle.«
    Die beiden Herren, die aus dem Schlauchboot kletterten, waren ohne Zweifel Commissario Salvo Montalbano und sein Stellvertreter, Dottor Domenico »Mimi« Augello, die beiden bekannten Gesetzeshüter. Aber die Leute, denen sie begegneten, waren etwas irritiert. Die beiden gingen untergehakt, torkelten ziemlich und trällerten »La donna è mobile« vor sich hin.
    Im Kommissariat wuschen sie sich, machten sich zurecht und ließen sich zwei Tassen Espresso bringen. Dann sagte Montalbano:
    »Ich gehe raus und rufe Montelusa an.«
    »Kannst du das nicht von hier aus machen?«
    »Eine Telefonzelle ist sicherer.«
    »Brondo? Is Guanodda da?«, fragte der Commissario mit Schnupfenstimme.
    »Dottor Guarnotta meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Wer ist dran?«
    »General Jaruzelski.«
    »Augenblick bitte«, sagte der Beamte in der Telefonvermitt­lung beeindruckt.
    »Pronto? Hier ist Guarnotta. Ich habe nicht verstanden, wer ist am Apparat?«
    »Doddore, heren Sie zu un schdellen Sie kaine Fragn.« Es war ein langes, gequältes Gespräch, aber am Ende be­griff Dottor Guarnotta von der Questura Montelusa, dass er von einem unbekannten Polen eine wertvolle Informa­tion bekommen hatte.
    Es war sieben Uhr abends, und noch immer keine Spur

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