Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
von Fazio im Kommissariat. Montalbano rief seinen Freund Nicolò Zito an, den Journalisten von »Retelibera«. »Willst du die Kassette, die Annalisa für dich zusammen­gestellt hat, doch noch haben?«
    »Welche Kassette?«
    »Die mit den Beiträgen über Gargano.«
    Das hatte er völlig vergessen, aber er gab vor, genau des­halb anzurufen.
    »Bist du da, wenn ich in einer halben Stunde vorbei­komme?«
    Als er bei »Retelibera« ankam, wartete Zito schon an der Tür, die Kassette in der Hand:
    »Los, ich hab's eilig, ich muss die Nachrichten machen.«
    »Danke, Nicolò. Ein Tipp: Behalte Guarnotta ab jetzt im Auge. Und wenn du kannst, berichte mir.« Nicolò hatte es plötzlich überhaupt nicht mehr eilig, er spitzte die Ohren, er wusste sehr gut, dass ein halbes Wort von Montalbano mehr wert war als ein dreistündiges Ge­spräch.
    »Wieso, ist was?«
    »Ja.«
    »Hat es was mit Gargano zu tun?«
    »Ich glaube, ja.«
    In der Trattoria »San Calogero« überkam ihn ein solcher Heißhunger, dass sogar der Wirt staunte, obwohl er ihn oft essen sah:
    »Dottore, was ist los? Haben Sie ein Leck?« Er kam überglücklich in Marinella an. Nicht wegen der Ge­schichte mit dem Auto, die war ihm im Augenblick ziem­lich egal, nein, er war stolz, dass er sich immer noch auf so anstrengende Tauchtouren einlassen konnte.
    »Ich möchte mal sehen, wie viele junge Leute so was schaf­fen würden!«
    Von wegen alt! Wie hatte er nur auf diese dummen Gedan­ken mit dem Alter kommen können? Es war noch nicht so weit!
    Als er die Kassette in den Kassettenrecorder schieben wollte, fiel sie auf den Boden. Er bückte sich, um sie auf­zuheben, und verharrte in dieser halb gebeugten Haltung, ein bohrender Schmerz im Rücken machte jede Bewegung unmöglich.
    Niederträchtig rächte sich das Alter.

Zwölf
    Was da ertönte, war das Telefon, nicht die Geige von Mae­stro Cataldo Barbera, der ihm gerade im Schlaf erschienen war und gesagt hatte: »Lauschen Sie diesem Concertino.«
    Er schlug die Augen auf und sah auf den Wecker: fünf vor acht.
    Es kam sehr selten vor, dass er so spät wach wurde. Als er aufstand, stellte er befriedigt fest, dass die Rückenschmer­zen vergangen waren. »Pronto?«
    »Salvo, hier ist Nicolò. In den Acht-Uhr-Nachrichten kommt ein Live-Bericht von mir. Sieh's dir an.« Montalbano schaltete den Fernseher an und stellte »Retelibera« ein. Nach der Erkennungsmelodie erschien Nicolòs Gesicht. In wenigen Worten sagte er, er befinde sich an Punta Pizzillo, denn in der Questura Montelusa sei der Anruf eines polnischen Admirals eingegangen, dass dort ein Auto ins Meer gestürzt sei. Dottor Guarnotta habe die brillante Intuition gehabt, es könnte sich um den Alfa 166 von Ragioniere Emanuele Gargano handeln. Er habe des­halb unverzüglich die Bergung des Wagens veranlasst. Die Bergung sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Schnitt. Der Kameramann zoomte schwindelerregend schnell ein klei­nes Stück Meer am Fuß des Abgrunds heran. Das Auto, erklärte Zito aus dem Off, liege dort in etwa zehn Meter Tiefe, buchstäblich eingekeilt zwischen der Mergelwand und einem großen Felsen. Der Kameramann fuhr in die Totale, und auf dem Bildschirm erschienen ein großer Ponton mit einem Kran und ein Dutzend Motor-, Schlauch- und Fischerboote. Das Unternehmen werde im Lauf des Tages fortgesetzt, fügte Zito hinzu, aber inzwi­schen hätten die Taucher eine Leiche heraufgeholt, die in dem Wrack eingeklemmt gewesen sei. Schnitt. An Deck eines Fischkutters lag ein Körper, ein Mann hockte neben dem Toten. Es war Dottor Pasquano. Stimme eines Journalisten: »Entschuldigen Sie, Dottore, ist er Ihrer Meinung nach bei dem Absturz gestorben oder wurde er vorher umgebracht?«
    Pasquano (kaum den Blick hebend): »Ihr könnt mich alle ( bip )…«
    Wie immer bezaubernd liebenswürdig.
    »Jetzt hat der Leiter der Ermittlungen das Wort«, sagte Nicolò.
    Alle standen nah nebeneinander, wie auf einem Foto: eine vielköpfige Familie bei einer Aufnahme im Freien. Poli­zeipräsident Bonetti-Alderighi, Staatsanwalt Tommaseo, der Chef der Spurensicherung Arquà, der leitende Ermitt­ler Commissario Guarnotta. Alle lachend, als befänden sie sich auf einem Fest, und alle gefährlich nahe am brüchi­gen Rand des Abgrunds. Montalbano verscheuchte den gemeinen Gedanken, der ihm gekommen war, aber den Abgang des halben Polizeipräsidiums Montelusa live mit­zuerleben wäre zumindest ein außergewöhnliches Schau­spiel gewesen.
    Der Questore dankte

Weitere Kostenlose Bücher