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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Stunde müsste die Fahrt zu schaffen sein, auch wenn das Wetter nicht gerade gut ist.«
    »Salvo, du kriegst doch einen Herzinfarkt. Verschieb es. Heute ist das Wasser bestimmt eiskalt. Und entschuldige, wenn ich das sage, aber du bist nicht mehr der Jüngste.«
    »Besorg mir ein Schlauchboot, und hör auf zu nerven.«
    »Hast du wenigstens einen Taucheranzug? Pressluftfla­schen?«
    »Einen Anzug müsste ich zu Hause noch irgendwo haben. Pressluft habe ich nie benutzt. Ich halte die Luft an.«
    »Salvo, du hast früher mal die Luft angehalten. Das hast du seit Jahren nicht mehr gemacht. Und all die Jahre über hast du geraucht. Du weißt nicht, wie deine Lungen aussehen.
    Wie lange kannst du also unter Wasser bleiben? Zwanzig Sekunden, wenn wir großzügig sein wollen?«
    »Das ist doch lächerlich.«
    »Das mit dem Rauchen findest du lächerlich?«
    »Jetzt hört doch mal auf mit dieser Rauchgeschichte! Klar ist das schlecht für den, der raucht. Aber eurer Meinung nach zählt der Smog nicht, der Elektrosmog zählt nicht, abgereichertes Uran ist gesund, Schlote richten keinen Schaden an, Tschernobyl hat die Landwirtschaft aufgepäp­pelt, die Uran- oder Was-auch-immer-Fische sind beson­ders nahrhaft, Dioxin wirkt stärkend, die verrückte Kuh, die Maul- und Klauenseuche, transgene Nahrungsmittel, die Globalisierung bescheren euch das Paradies auf Erden. Was schädigt und Millionen von Menschen umbringt, ist einzig und allein das Passivrauchen. Weißt du, wie der Slo­gan der nächsten Jahre lauten wird? Tut was für die Um­welt - schnieft Kokain.«
    »Ist ja gut, reg dich ab«, sagte Mimi. »Ich besorg dir das Schlauchboot. Aber unter einer Bedingung.«
    »Welcher?«
    »Ich komme mit.«
    »Wozu denn?«
    »Nur so, ich mag dich nicht allein lassen, ich würde mich mies fühlen.«
    »Also gut. Um zwei am Hafen, ich darf ja sowieso nicht mit vollem Magen. Sag bloß niemand, was wir vorhaben.
    Wenn am Ende zufällig rauskommt, dass ich mich geirrt habe, lachen die sich im Kommissariat doch dumm und dämlich über uns.«
    Montalbano machte die Erfahrung, wie schwierig es war, einen Taucheranzug an Bord eines Schlauchbootes anzu­ziehen, das über ein nicht gerade ruhig zu nennendes Meer flitzte. Mimi saß am Ruder, er wirkte nervös und be­sorgt.
    »Wird's dir schlecht bei dem Seegang?«, fragte der Com­missario irgendwann.
    »Nein, mir wird's vor mir selber schlecht.«
    »Wieso?«
    »Weil mir hin und wieder klar wird, wie blöd ich bin, dass ich deine genialen Aktionen mitmache.« Weiter redeten sie nichts. Sie sprachen erst wieder, als sie, nach mehreren Anläufen, von der Seeseite her Punta Pizzillo erreichten, wo Montalbano am Morgen an Land ge­wesen war. Die Mergelwand ragte ohne Vorsprünge oder Einbuchtungen in die Höhe. Mimi blickte sie finster an. »Wir sind gefährlich nah an der Wand«, sagte er. »Dann pass halt auf« war alles, was der Commissario zur Ermunterung sagte; er machte sich daran, bäuchlings über den Rand des Schlauchbootes zu rutschen. »Du siehst aber nicht sehr entspannt aus«, sagte Mimi. Montalbano sah ihn an, er konnte sich nicht überwinden, ins Wasser zu gehen. Er war hin- und hergerissen. Das Verlangen, unter Wasser zu überprüfen, ob er richtig ge­sehen hatte, war sehr stark, aber ebenso stark war der Im­puls, alles sausen zu lassen. Der Tag tat ein Übriges, der Himmel war so schwarz, dass er fast nächtliches Licht verbreitete, der Wind war sehr kalt geworden. Er gab sich einen Ruck, auch weil er sich nie im Leben vor Augello blamiert und einen Rückzieher gemacht hätte. Er ließ los.
    Augenblicklich befand er sich in einer so tiefen, undurch­dringlichen Dunkelheit, dass er gar nicht mehr wusste, in welcher Lage sein Körper im Wasser schwamm. War er waagrecht oder senkrecht? Einmal war er nachts in seinem Bett aufgewacht und hatte sich nicht mehr zu­rechtgefunden, er hatte nicht mehr gewusst, wo die be­kannten Anhaltspunkte waren, das Fenster, die Tür, die Zimmerdecke. Mit dem Rücken stieß er an etwas Hartes. Er schwamm weg. Mit der Hand berührte er eine schlei­mige Masse. Er spürte, wie sie ihn umschlang. Er schlug um sich und befreite sich von ihr. Dann versuchte er hek­tisch, zweierlei zu tun: sich gegen die absurde Angst, die ihn ergriff, zu wehren und die Taschenlampe vom Gürtel zu nehmen. Schließlich schaffte er es, sie anzuschalten. Voller Schrecken sah er keinen Lichtkegel, die Lampe funktionierte nicht. Dann zog eine starke Strömung ihn langsam

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