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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wie Prankenhiebe eines wütenden Tieres war auf­gekommen. Vom Meer her schoben sich schwere, pralle Wolken aufs Land zu. Montalbano saß am Steuer, folgte Professore Tommasinos Anweisungen und ließ sich der­weil die Geschichte näher erklären.
    »Wissen Sie bestimmt, dass es die Nacht vom 31. August auf den 1. September war?«
    »Hundertprozentig.«
    »Was macht Sie so sicher?«
    »Weil ich da gerade dachte, dass Gargano mir am nächsten Tag, dem 1. September, die Rendite auszahlen würde, als ich sein Auto sah. Ich wunderte mich.«
    »Verzeihen Sie, Professore, sind Sie denn auch ein Opfer von Gargano?«
    »Ja, ich war so dumm, ihm zu glauben. Um dreißig Millio­nen hat er mich geprellt. Als ich dann sein Auto sah, wun­derte ich mich zwar, aber ich freute mich auch. Ich glaubte, er würde Wort halten. Doch am nächsten Morgen erfuhr ich, dass er nicht erschienen war.«
    »Wieso wunderten Sie sich, als Sie den Wagen sahen?«
    »Aus vielerlei Gründen. Angefangen bei der Stelle, an der er stand. Sie werden sich auch wundern, wenn wir hin­kommen. Sie heißt Punta Pizzillo. Und dann die Uhrzeit: Es war bestimmt nach Mitternacht.«
    »Haben Sie auf die Uhr gesehen?«
    »Ich habe keine Uhr, tagsüber richte ich mich nach der Sonne; wenn es dunkel ist, nach dem Geruch der Nacht: Ich habe eine Art natürliche Zeitansage, die in meinem Körper sitzt.«
    »Sagten Sie >Geruch der Nacht    »Ja. Je nach Uhrzeit riecht die Nacht verschieden.« Montalbano hakte nicht nach. Er sagte: »Vielleicht war Gargano in Begleitung und wollte unge­stört sein.«
    »Dottore Montalbano, der Ort ist so abgeschieden, dass er nicht mehr sicher ist. Erinnern Sie sich, wie dort vor zwei Jahren ein Pärchen überfallen wurde? Und dann habe ich mich gefragt: Wieso sollte Gargano, bei seinem ganzen Geld, seiner Position, der Verpflichtung, den Schein zu wahren, es nötig haben, wie irgendein dahergelaufener Typ im Auto zu bumsen?«
    »Darf ich Sie fragen - es steht Ihnen natürlich frei, nicht zu antworten -, was Sie in der, wie Sie sagen, so einsamen Gegend und um diese Uhrzeit wollten?«
    »Ich gehe nachts spazieren.«
    Montalbano beherrschte sich und stellte keine weiteren Fragen. Nicht mal fünf Minuten später, die sie schweigend verbrachten, sagte der Lehrer: »Wir sind da. Das ist Punta Pizzillo.« Er stieg zuerst aus, gefolgt vom Commissario. Sie standen auf einem kleinen Plateau wie auf einem Schiffsbug, voll­kommen öde, ohne Bäume, nur hier und da ein Büschel Mohrenhirse oder ein Kapernstrauch. Der Rand des Pla­teaus war etwa zehn Meter entfernt, dahinter musste ein Steilhang zum Meer hin abfallen.
    Montalbano ging ein paar Schritte, dann hielt Tommasinos Stimme ihn auf.
    »Vorsicht, der Boden ist brüchig. Garganos Wagen stand da, wo jetzt Ihrer steht, in der gleichen Position, mit dem Kofferraum zum Meer hin.«
    »Von wo kamen Sie?«
    »Von Vigata.«
    »Das ist weit.«
    »Nicht so weit, wie man meint. Von hier nach Vigàta braucht man zu Fuß eine Dreiviertel-, höchstens eine Stunde. Ich kam aus dieser Richtung, musste also notge­drungen an der Kühlerhaube des Autos vorbei, in fünf oder sechs Schritt Entfernung. Es sei denn, ich hätte einen weiten Bogen landeinwärts gemacht, um nicht daran vorbeizumüssen. Aber warum hätte ich nicht vor­ beigehen sollen? So erkannte ich es. Das Mondlicht war hell genug.«
    »Konnten Sie das Kennzeichen sehen?«
    »Sie scherzen wohl. Da hätte ich so nah rangehen müssen, dass ich mit der Nase dran geklebt hätte, um es zu lesen.«
    »Aber wenn Sie das Kennzeichen nicht gesehen haben, woher wissen Sie dann…«
    »Ich habe das Modell erkannt. Es war ein Alfa 166. Das­selbe Auto, in dem er letztes Jahr zu mir nach Hause kam, um mir mein Geld abzuknöpfen.«
    »Was haben Sie für ein Auto?«, fragte da der Commissario. »Ich? Ich habe nicht mal einen Führerschein.« Die Nacht vertan und ein Mädchen geboren, dachte Montalbano enttäuscht. Professore Tommasino war ein Irrer, der nicht existierende Dinge sah, aber wenn er existie­rende Dinge sah, rückte er sie sich nach Gutdünken zu­recht. Der Wind war kälter geworden, der Himmel hatte sich zugezogen. Wieso verlor er seine Zeit an diesem trost­losen Ort? Doch der Lehrer musste die Enttäuschung des Commissario irgendwie gespürt haben. »Wissen Sie, Commissario, ich habe eine Marotte.« O Gott, noch eine? Montalbano war besorgt. Und wenn der einen Anfall bekam und schrie, er würde Luzifer in Person sehen, wie sollte er sich dann

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