Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
kannst gehen. Und mach die Tür zu.«
Er wollte sich nicht von Mimi oder Fazio erwischen lassen, wenn er Sherlock Holmes spielte.
Mit der Lupe erkannte er, worum es sich handelte: Es waren zwei kleine Leuchttürme, die, bei Dunkelheit oder schlechter Sicht eingeschaltet, präzise die Einmündung markierten, sodass man, wenn man in den Hafen hineinmanövrierte, nicht Gefahr lief, gegen die Felsen zu stoßen.
Installiert hatte sie sicher der erste Besitzer der Villa, der amerikanische Schmuggler, dem diese ganze Vorrichtung bestimmt sehr nützlich gewesen war; doch auch die späteren Mieter hatten sie instand gehalten. Montalbano grübelte lange nach. Langsam formte sich in seinem Kopf der Gedanke, dass er sich die Sache vielleicht mal näher ansehen sollte, möglicherweise vom Meer aus. Und vor allem heimlich, ohne jemandem etwas zu sagen.
Er sah auf die Uhr, Ingrid musste gleich kommen. Er holte seine Geldbörse aus der Tasche und sah nach, ob er für das Abendessen genug Geld einstecken hatte. Da tauchte Catarella in der Tür auf und keuchte:
»Ah Dottori! Draußen ist Signorina Ingirigid und wartet!«
Ingrid wollte, dass der Commissario bei ihr mitfuhr.
»Mit deiner Kiste kommen wir nie an, und es ist ziemlich weit.«
»Wo bringst du mich denn hin?«
»Du wirst schon sehen. Du könntest ja mal ein bisschen Abwechslung in deine ewigen Fischessen bringen, oder?«
Ingrid redete die ganze Zeit, das Auto flitzte dahin, und so hatte Montalbano gar nicht das Gefühl, sie seien besonders weit gefahren, als sie vor einem Gehöft auf dem Land hielten. War das wirklich ein Restaurant, oder hatte Ingrid sich verfahren? Ein Dutzend geparkte Autos beruhigten ihn. Als sie das Lokal betraten, grüßte Ingrid in die Runde und alle Leute grüßten sie, sie war hier wie zu Hause. Der Wirt eilte herbei.
»Salvo, willst du das Gleiche essen wie ich?«
So führte sich der Commissario mit Schafskäse und schwarzem Pfeffer gewürzte ditalini cu 'a ricotta zu Gemute; die Ricotta war frisch und genau richtig gesalzen.
Ein Gericht, das dringend nach Wein verlangte, und die Bitte wurde ausgiebig erfüllt. Als zweiten Gang aß er costi 'mbriachi. Als es ans Bezahlen ging, wurde der Commissario blass: Er hatte sein Portemonnaie auf dem Schreibtisch liegen lassen. Ingrid zahlte. Auf der Rückfahrt drehte der Wagen ab und zu ein paar Walzerrunden. Vor dem Kommissariat bat Montalbano Ingrid anzuhalten, er wollte sein Portemonnaie holen.
»Ich komme mit«, sagte Ingrid, »ich habe noch nie gesehen, wo du arbeitest.«
Sie betraten das Büro. Der Commissario ging zum Schreibtisch, Ingrid ebenfalls. Montalbano nahm den Geldbeutel, Ingrid sah sich die Fotos auf dem Tisch an und nahm eines in die Hand.
»Wie kommen denn die Fotos von Nini auf deinen Tisch?«, fragte sie.
Zwölf
Für einen Moment blieb alles stehen, sogar die konfuse Geräuschkulisse der Welt verstummte. Selbst eine Fliege, die zielstrebig auf Montalbanos Nase zusteuerte, blieb wie gelähmt mit ausgebreiteten Flügeln in der Luft hängen. Als Ingrid keine Antwort bekam, blickte sie auf. Montalbano stand, den Geldbeutel halb in die Hosentasche gesteckt, wie versteinert da und starrte sie mit offenem Mund an.
»Was machst du denn mit den Fotos von Nini?«, fragte Ingrid noch mal und nahm auch die anderen Fotos in die Hand.
Eine Art Südweststurm brauste in irrem Tempo durch die Gehirnwindungen des Commissario, der sich gar nicht wieder fangen konnte. Wie bitte?! Da suchen sie überall, rufen in Cosenza an, ackern das Archiv durch, befragen potenzielle Zeugen, kundschaften via Land und Meer Spigonella aus, um dem Toten einen Namen geben zu können, und jetzt kommt Ingrid daher und nennt ihn souverän sogar bei seinem Spitznamen?
»Lo … co … co …«
Montalbano stammelte eine als Ausruf gedachte Frage, lo conosci? - was, den kennst du?, doch Ingrid missverstand und unterbrach ihn.
»Lococo, genau«, sagte sie. »Ich habe dir doch von ihm erzählt, oder?«
Das stimmte. An dem Abend, als sie auf der Veranda saßen und eine Flasche Whisky leerten, hatte sie von ihm erzählt.
Sie hatte mit diesem Lococo eine Affäre gehabt, aber sie hatten sich getrennt, weil .
»Warum habt ihr euch getrennt?«
»Ich habe ihn verlassen. Da war etwas an ihm, was mich beunruhigte, ich war immer auf der Hut . Ich konnte mich nie richtig entspannen … obwohl er mir gar keinen Anlass dazu gab -«
»Hatte er . spezielle Wünsche?«
»Im Bett?«
»Ja.«
Ingrid hob die Schultern.
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