Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
sah Montalbano, dass ein hoher Metallzaun mit Eisenpfosten, die in den Felsen verankert waren, es unmöglich machte, vom Strand aus so weit hinaufzuklettern, dass man das Geschehen im Inneren des Hafens beobachten konnte. Dann war nicht nur die Villa schwarz gebaut, auch der Küstenstreifen war illegal unterbrochen worden: Man konnte, auch wenn man über die Felsen kletterte, zu Fuß nicht das ganze Ufer entlanglaufen, irgendwann stand man vor einer unüberwindlichen Barriere aus Metallzäunen.
Aber Montalbano konnte sich immer noch keinen Reim darauf machen, warum sich das Meer vor der Zahnlücke so merkwürdig benahm.
»Ist gut, danke, Torrisi. Du kannst die Kamera wieder mitnehmen.«
»Man könnte das Bild, das Sie interessiert, grundsätzlich schon vergrößern, Dottore. Ich drucke die Szene aus, gebe das Bild Catarella, und der kann am Computer -«
»Gut, gut, mach nur«, unterbrach ihn Montalbano.
»Und ich gratuliere noch mal zu den tollen Aufnahmen«, sagte Torrisi, als er ging.
»Danke.«
Und dreist, wie er manchmal sein konnte, wurde der mit fremden Federn geschmückte Montalbano nicht mal rot.
»Catare, hat Marzilla sich gemeldet?«
»Nein, Dottori. Ah, ich wollte Ihnen sagen, dass heute Früh ein Schnellbrief für Sie persönlich selber gekommen ist.«
Es war ein ganz normaler Umschlag, ohne Absender. Der Commissario öffnete ihn und nahm einen Zeitungsausschnitt heraus. Er sah noch mal in den Umschlag, aber da war sonst nichts. Ein kurzer Artikel, datiert vom 11. März in Cosenza. Die Überschrift lautete Leiche des flüchtigen Errera gefunden. Und darunter stand Folgendes:
Als der Schäfer Antonio Jacopino gestern gegen sechs Uhr morgens seine Herde auf die Weide führte, machte er bei der Überquerung der Eisenbahnschienen bei Paganello einen grausigen Fund: Entlang dem Gleis lagen menschliche Überreste verstreut. Nach den ersten Untersuchungen der Polizei, die sofort zur Stelle war, handelte es sich eindeutig um einen Unfall: Nach den Regenfällen war die Böschung glitschig, und der Mann musste abgerutscht sein, als der 23-Uhr-Schnellzug nach Cosenza auftauchte. Die Lokführer sagten aus, sie hätten nichts bemerkt. Identifiziert wurde das Unfallopfer anhand der Ausweise im Portemonnaie und des Eherings. Es handelt sich um Ernesto Errera, der vom Gericht Cosenza wegen bewaffneten Raubüberfalls verurteilt und seit längerer Zeit untergetaucht war. Gerüchten zufolge soll er zuletzt in Brindisi aktiv gewesen sein; er hatte sich seit einiger Zeit in engem Kontakt mit albanischen Kriminellenkreisen für die illegale Zuwanderung interessiert.
Das war alles. Keine Unterschrift, keine erklärende Zeile.
Er besah sich den Poststempel: Cosenza. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Eine Erklärung gab es vielleicht doch: ein interner Racheakt. Wahrscheinlich hatte Kollege Vattiato von Montalbanos Blamage erzählt, als der ihm mitteilte, er habe einen Mann gefunden, der längst tot und begraben war. Und jemand, der das mitbekommen hatte und Vattiato anscheinend eins auswischen wollte, hatte Montalbano heimlich den Zeitungsausschnitt geschickt.
Denn richtig gelesen, konnten diese Zeilen an Vattiatos Selbstbewusstsein kratzen. Doch der anonyme Absender stellte in Wirklichkeit nur eine einzige, sehr simple Frage:
Wenn der von dem Zug zerrissene Tote anhand der Ausweise und eines Traurings als Ernesto Errera identifiziert wurde, woher weiß man dann hundertprozentig, dass es sich wirklich um Erreras Überreste handelt? Und folglich: Könnte es nicht sein, dass Errera einen Mann, der ihm entfernt ähnlich sah, selbst umgebracht, ihm das Portemonnaie in die Tasche und den Ring an den Finger gesteckt und ihn so auf die Gleise gelegt hat, dass ihn der darüber fahrende Zug möglichst unkenntlich zurichtete? Und warum hätte er das tun sollen? Doch hier lag die Antwort auf der Hand: damit Polizei und Carabinieri die Suche nach ihm einstellten und er in Brindisi ungestört arbeiten konnte.
Aber diese Überlegungen schienen Montalbano dann doch zu romanhaft.
Er rief nach Augello. Mimi sah schlecht aus.
»Ist dir nicht gut?«
»Ach, lass mich in Ruhe, Salvo. Ich musste Beba beistehen und war die ganze Nacht wach. Ihre Schwangerschaft ist wirklich schwierig. Was wolltest du denn?«
»Einen Rat. Aber erst noch was anderes. Catarella!«
»Jawohl, Dottori!«
»Catare, wiederhol Dottor Augello deine Vermutung über Errera, die du mir schon gesagt hast.«
Catarella machte ein wichtiges Gesicht.
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher