Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
Weißt du, wem die Villa mit der Terrasse gehört?«
»Die hat sich ein Amerikaner bauen lassen, als ich noch gar nicht geboren war.«
»Ein Amerikaner?!«
»Also der Sohn von Emigranten aus Montechiaro. Anfangs kam er noch hin und wieder, zumindest habe ich das so gehört. Dann hat man ihn nie mehr gesehen. Angeblich sitzt er im Knast.«
»Bei uns?«
»Nein, in Amerika. Wegen Schmuggel.«
»Drogen?«
»Und Zigaretten. Der Amerikaner soll eine Zeit lang von hier aus den gesamten Handel im südlichen Mittelmeer gesteuert haben.«
»Hast du die Klippen schon mal aus der Nähe gesehen?«
»Commissario, hier kümmert sich keiner um den anderen.«
»Hat in letzter Zeit jemand in der Villa gewohnt?«
»In letzter Zeit nicht. Aber vergangenes Jahr.«
»Dann wird sie also vermietet?«
»Anscheinend.«
»Kümmert sich eine Agentur darum?«
»Keine Ahnung, Commissario. Wenn Sie wollen, kann ich mich erkundigen.«
»Nein, vielen Dank, du hast dir meinetwegen schon zu viele Umstände gemacht.«
Als er in Montechiaro auf der Piazza ankam, schlug die Rathausuhr halb zwölf. Er hielt an, stieg aus und ging zu einer Glastür, über der IMMOBILIENAGENTUR stand. Drinnen war nur ein hübsches nettes Mädchen.
»Nein, wir kümmern uns nicht um die Vermietung der Villa.«
»Wissen Sie, wer da zuständig ist?«
»Nein. Und die Eigentümer dieser Luxusvillen wenden sich, zumindest in unserer Gegend, wohl nicht an Agenturen.«
»Wie machen sie das dann?«
»Die sind reich, sie kennen sich doch alle . Das spricht sich in ihren Kreisen herum -«
In Verbrecherkreisen spricht sich auch so manches Geschäft herum, dachte der Commissario.
Das Mädchen musterte erst ihn und dann das Fernglas und die Kamera.
»Sind Sie Tourist?«
»Wie haben Sie das erraten?«, fragte Montalbano.
Der Ausflug auf dem Meer hatte dem Commissario einen unbezwingbaren Hunger beschert, der ihn innerlich wie ein Hochwasser führender Fluss überschwemmte. Die Trattoria Da Enzo ins Auge zu fassen hieße auf Nummer Sicher gehen, doch würde es wohl auf einen Blick in den Kühlschrank oder den Backofen hinauslaufen, denn er wollte sofort das Filmmaterial sichten. Zu Hause entdeckte er mit einer gewissen Rührung, was Adelina in einer ihrer Anwandlungen für ihn gekocht hatte: Im Ofen lag ein ebenso unerwartetes wie heiß ersehntes coniglio alla cacciatora. Er stellte es zum Aufwärmen auf den Herd und setzte sich ans Telefon.
»Torrisi? Ich bin's, Montalbano.«
»Hat alles geklappt, Dottore?«
»Ich glaube schon. Kannst du in einer Stunde bei mir vorbeischauen?«
Wenn man allein isst, erlaubt man sich so manches, was man sich in Gesellschaft nie trauen würde. Der eine setzt sich in Unterhosen an den Tisch, der andere fläzt sich zum Essen vor die Glotze. Der Commissario aß oft und gern mit den Fingern. Und das tat er auch mit dem Kaninchen.
Anschließend musste er seine Hände eine halbe Stunde unter fließendem Wasser von dem schmierigen Fett säubern.
Es klingelte. Draußen stand Torrisi.
»Zeig mir, was auf dem Band ist.«
»Schauen Sie, Commissario, man macht das so. Man zieht das Scart-Kabel und dann …«
Er redete und machte alles, und Montalbano hörte nicht mal zu. Für solche Sachen hatte er überhaupt kein Talent.
Auf dem Bildschirm erschienen die ersten Aufnahmen, die Tanino gedreht hatte.
»Commissario«, rief Torrisi bewundernd, »das sind wirklich schöne Aufnahmen! Toll gemacht! Eine Stunde Theorie gestern Abend hat genügt und schon -«
»Na ja«, meinte Montalbano bescheiden, »das war doch nicht schwierig -«
Bei der auf dem Hinweg aufgenommenen Sequenz waren die Felsen unterhalb der Villa wie eine unregelmäßige untere Zahnreihe angeordnet, einer stand weiter vorn, ein anderer weiter hinten, einer war klein, der nächste höher, einer stand quer, einer wieder gerade. Auf dem Rückweg mit Zoom aufgenommen, wiesen die Felszähne eine Lücke auf, eine zwar nicht sehr breite, aber immerhin ausreichende Passage für ein Schlauchboot oder ein kleines Motorboot.
»Stopp mal.«
Montalbano sah sich das Standbild aufmerksam an. Irgendetwas an dieser Durchfahrt stimmte nicht, es war, als ob das Wasser ganz kurz zögerte, bevor es hineinfloss. Stellenweise sah es aus, als wollte es zurückfließen.
»Kannst du das vergrößern?«
»Nein, Dottore.«
Danach hatte Tanino ohne Zoom gefilmt, und man sah die steile Felsentreppe, die von der Villa zu dem winzigen natürlichen Hafen führte.
»Spul bitte mal zurück.«
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