Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
sagte mir, dass er da hinaufgehe, um zu lesen und Sonnenbäder zu nehmen.«
»Wie oft haben Sie sich gesehen?«
»Kam drauf an. Wenn einer von uns beiden Lust hatte, hat er einfach angerufen. Manchmal vergingen auch vier, fünf Tage, ohne dass wir uns gesehen haben, entweder weil ich irgendwelche Verpflichtungen hatte oder weil er auf seinen Reisen durch die Provinz war…«
»Waren Sie eifersüchtig?«
»Bei Angelo? Nein.«
»Und doch hat Michela mir gesagt, dass Sie es waren. Und dass es gerade in der letzten Zeit oft zu Streitigkeiten zwischen Ihnen beiden gekommen sei.«
»Ich kenne Michela nicht, ich bin ihr nie begegnet. Angelo hat mir von ihr erzählt. Ich glaube, sie hat da was missverstanden.«
»Hinsichtlich was?«
»Hinsichtlich der Streitigkeiten. Dabei ging es nicht um Eifersucht.«
»Worum denn dann?«
»Darum, dass ich ihn verlassen wollte.«
»Sie?!«
»Wieso erstaunt Sie das so? Ich hatte keine Lust mehr, das ist alles. Und außerdem…«
»Und außerdem?«
»Und außerdem wurde mir klar, dass Emilio schrecklich litt, auch wenn er es nicht zeigte. Es war das erste Mal, dass es ihm so schlecht ging.«
»Angelo wollte nicht, dass Sie ihn verlassen?«
»Nein. Ich glaube, dass er mir inzwischen Gefühle entgegenbrachte, die er anfangs nicht einkalkuliert hatte. Wissen Sie was? Angelo war, was Frauen anging, sehr unerfahren.«
»Verzeihen Sie meine Frage: Wo waren Sie Montagabend?« Sie lächelte.
»Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie mir diese Frage stellen würden. Ich habe kein Alibi.«
»Können Sie mir sagen, was Sie getan haben? Sind Sie zu Hause gewesen? Haben Sie Freunde gesehen?«
»Ich bin weggegangen. Angelo und ich hatten vereinbart, dass wir uns Montagabend gegen neun bei ihm sehen würden. Ich bin aus dem Haus gegangen, doch während ich fuhr, habe ich unbewusst einen anderen Weg genommen. Ich bin weitergefahren und habe mich gezwungen, nicht mehr umzukehren. Ich wollte herausfinden, ob ich es aushalten würde, wirklich auf Angelo zu verzichten, der auf mich wartete, um mit mir zu schlafen. Zwei Stunden lang bin ich einfach herumgefahren, danach bin ich wieder nach Hause zurückgekehrt.«
»Haben Sie sich nicht gewundert, dass Angelo sich nicht gemeldet hat, weder am nächsten Morgen noch an den folgenden Tagen?«
»Nein. Ich habe gedacht, er würde aus Trotz nicht anrufen.«
»Haben Sie nicht versucht, ihn anzurufen?«
»Das hätte ich niemals getan. Es wäre ein Fehler gewesen. Vielleicht war es ja wirklich aus zwischen uns beiden. Und diese Tatsache erleichterte mich.«
Vier
Wieder klingelte das Telefon.
»Wenn Sie gestatten«, sagte Elena und stand auf.
Doch bevor sie aus dem Zimmer ging, fragte sie:
»Haben Sie noch viele Fragen an mich? Denn das ist ganz sicher eine Freundin von mir, mit der ich …«
»Höchstens noch zehn Minuten.«
Elena ging hinaus, antwortete am Telefon, kam wieder zurück und setzte sich.
So wie sie sich bewegte und wie sie sprach, wirkte sie völlig entspannt. Sie hatte die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Liebhabers schnell verkraftet. Vielleicht stimmte es ja, dass dieser Mann für sie wirklich erledigt war. Besser so, sie hätte weder Scham noch Zurückhaltung gekannt.
»Es gibt da eine Sache, die mir, wie soll ich sagen, einzigartig vorkommt, entschuldigen Sie, ich habe mit den Adjektiven so meine Schwierigkeiten, oder vielleicht kommt es ja auch nur mir einzigartig vor, der ich … Ich meine, ich könnte nicht…«
Er hatte sich wirklich verheddert, er wusste nicht, wie er die Frage vor dieser schönen jungen Frau formulieren sollte, deren Anblick allein schon ein Vergnügen war. »Sagen Sie's«, ermutigte sie ihn mit einem Lächeln.
»Also. Sie haben mir gesagt, Montagabend seien Sie weggegangen, um zu Angelo zu fahren, der Sie erwartete, um mit Ihnen zu schlafen. Ist das so?«
»So ist es.«
»Hatten Sie die Absicht, die Nacht bei ihm zu verbringen?«
»Aber woher! Das habe ich nie getan! Gegen Mitternacht wäre ich wieder nach Hause gefahren.«
»Folglich wären Sie etwa drei Stunden bei Angelo geblieben.«
»Mehr oder weniger. Aber wieso…«
»Sind Sie jemals verspätet zu einer Verabredung mit ihm gekommen?«
»Manchmal schon.«
»Und wie hat Angelo in solchen Fällen reagiert?«
»Wie soll er schon reagiert haben? Ich fand ihn nervös vor, irritiert, aber dann beruhigte er sich nach und nach und…«
Sie lächelte völlig anders, als sie bis zu diesem Augenblick gelächelt hatte, ein halb verborgenes
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