Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
unter Wasser. Wieder tauchten sie auf, diesmal noch enger umschlungen, und ertranken dann endgültig in einem anderen Meer.
Als Adriana sehr viel später gegangen war, brach für Montalbano eine weitere elende Nacht an, die aus Hin- und Herwälzen bestand, aus Aufwachen und Einschlafen, aus Brand und Verbrennen.
Die Hitze, natürlich. Das Schuldgefühl, sicher. Ein bisschen Scham, auch das. Auch ein Funke Selbstverachtung. Und schließlich auch eine Spur Gewissensbisse. Aber vor allem eine unendliche Wehmut, als sich ihm ganz unvermittelt die Frage stellte: Wenn du nicht fünfundfünfzig wärst, hättest du dann Nein sagen können? Nicht Adriana gegenüber, sondern zu dir selbst? Und die Antwort konnte nur die eine sein: Ja, ich hätte Nein sagen können. Außerdem war das ja schon vorgekommen. Und wieso hast du jetzt diesem Teil von dir nachgegeben, den du immer einwandfrei in Schach zu halten vermocht hast?
Weil ich nicht mehr so stark bin wie früher. Und das wusste ich.
Folglich war es das Wissen um das nahende Alter, das dich vor der Jugend, vor Adrianas Schönheit hat schwach werden lassen?
Und auch diesmal lautete die bittere Wahrheit: Ja.
»Dottori, was ist denn los?«
»Wieso?«
»Sie machen vielleicht ein Gesicht! Fühlen Sie sich nicht wohl?«
»Ich hab nicht schlafen können, Catare. Schick mir Fazio rüber.«
Auch Fazio sah nicht gut aus.
»Dottore, ich hab die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Sind Sie sicher, dass wir das Richtige tun?«
»Ich bin mir überhaupt nicht sicher. Aber es ist der einzige Weg.«
Fazio breitete die Arme aus.
»Stell schon jetzt jemanden an der Villetta auf, der sie bewacht. Ich will nicht, dass irgendein Trottel in die versteckte Wohnung einsteigt und all unsere Pläne durchkreuzt. Um fünf ziehst du ihn ab, dann sind wir ja da. Außerdem besorgst du dir ein Verlängerungskabel von ungefähr zwanzig Metern mit einer Dreiersteckdose. Kauf drei Garagenlampen, du weißt schon, die mit den von einem Gitter geschützten Glühbirnen.«
»Jaja. Aber wozu brauchen wir die ganze Ausrüstung denn?«
»Wir nehmen den Strom aus der Steckdose neben der Haustür der Villetta und führen die Leitung bis zu dieser Wohnung, so wie Callara das gemacht hat, als er mit dem Landvermesser da war. An der Dreiersteckdose stecken wir die drei Garagenlampen ein, von denen zwei ins Wohnzimmer hineinleuchten. Wenigstens gibt es dann ein bisschen Licht.«
»Aber wird Spitaleri denn nicht argwöhnisch bei so viel Aufwand?«
»Adriana kann ihm doch sagen, dass Callara ihr das erlaubt hat. Wen bringst du mit?«
»Galluzzo.«
Er war gänzlich unfähig, irgendetwas zu tun, er nahm keine Anrufe an, er unterschrieb nicht ein einziges Dokument. Er blieb mit dem Kopf in der Nähe des Miniventilators. Gelegentlich tauchten vor ihm Bilder von ihm und Adriana auf, wie sie in der vergangenen Nacht geschwommen waren, aber die wischte er sofort beiseite. Er wollte sich auf das konzentrieren, was bei der Begegnung mit Spitaleri passieren konnte, doch es gelang ihm nicht. Zumal die Mittagssonne an diesem Tag selbst eine Eidechse verbrannt hätte. Es war wie bei einem Feuerwerk, wo es am lautesten knallt, wenn gegen Ende die buntesten Raketen am Himmel explodieren. Genauso war's auch während der letzten Tage im August: Dann explodierten die heißesten, die sengendsten Tage. Nach einer gewissen Zeit - er hätte nicht sagen können, wie lange es gedauert hatte - kam Fazio und sagte, er habe das ganze Material zusammen.
»Dottore, draußen krepiert man.«
Sie blieben dabei, um fünf würden sie sich an der Villetta treffen.
Er hatte keine Lust, das Büro zu verlassen, um essen zu gehen. Im Übrigen hatte er auch keinen Appetit.
»Catarella, stell mir keine Anrufe durch und lass niemanden in mein Büro.«
Wie beim vorigen Mal verschloss er die Tür, zog sich aus, richtete den Miniventilator auf den Sessel, den er zum Schreibtisch geschoben hatte, und setzte sich hinein. Kurz darauf schlief er ein.
Um vier wachte er wieder auf. Er ging ins Badezimmer, zog sich nackt aus, wusch sich mit Wasser, das so warm war, dass es ihm wie Pisse vorkam, zog sich wieder an, ging hinaus, nahm sein Auto und fuhr nach Pizzo.
Vor der Villetta standen die Autos von Adriana und Fazio. Bevor er ausstieg, öffnete er das Handschuhfach, nahm die Pistole heraus und steckte sie sich in die hintere Hosentasche.
Sie waren alle im Wohnzimmer. Adriana lächelte ihm zu und gab ihm die Hand, die diesmal eiskalt wie ein
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