Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
nochmal?«
»Livia.«
»Von wo ist sie?«
»Genua.«
»Zeig mir das Foto.«
»Von wem?«
»Von deiner Verlobten, oder?«
»Ich hab keins.«
»Und warum?«
»Hm.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Sie ist unerreichbar.«
Das war ihm herausgerutscht. Adriana sah ihn verwirrt an. »Sie ist auf einem Boot, mit Freunden«, erklärte er. Warum hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt? »Ich habe auf der Veranda gedeckt, komm«, sagte er, um sie von dem heiklen Thema abzulenken.
Beim Anblick des gedeckten Tischs staunte Adriana. »Ich esse zwar gerne, aber all diese Dinge … Gott, ist das schön hier!«
»Nimm du zuerst Platz.«
Adriana setzte sich mitten auf die kleine Bank und rückte auch kaum zur Seite, als Montalbano sich setzen wollte, sodass er sich praktisch neben sie quetschen musste. »Das gefällt mir nicht«, sagte Adriana. »Was?«
»So hier zu sitzen.«
»Du hast recht, wir sitzen hier ziemlich eng. Aber wenn du ein bisschen weiter nach da rückst…«
»Du hast mich nicht verstanden. Ich will dich anschauen beim Essen.«
Montalbano holte einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber.
Nun, mit etwas Abstand zu ihr, fühlte er sich wohler. Wie kam es nur, dass es trotz der fortschreitenden Nacht immer noch so heiß war? »Gibst du mir ein bisschen von dem Wein?« Es war ein starker, gut gekühlter Weißer. Er ließ sich trinken, dass es eine Freude war. Im Kühlschrank hatte er noch zwei Flaschen davon.
»Bevor wir anfangen, will ich dich etwas fragen, was ich unbedingt wissen muss«, sagte Montalbano. »Ich bin nicht verlobt. Und bin auch gerade mit niemandem zusammen.« Montalbano kam ins Schleudern.
»Das war es nicht, was… Ich hatte nicht die Absicht… Kennst du Spitaleri persönlich?«
»Den Bauunternehmer? Den, der Rina vor Ralfs Überfall rettete? Nein, nie kennengelernt.«
»Und wie kommt das? Eigentlich habt ihr, du und deine Schwester, doch nur wenige Meter von seiner Baustelle entfernt gewohnt.«
»Das stimmt. Aber, weißt du, damals wohnte ich mehr bei meiner Tante und meinem Onkel in Montelusa als bei meinen Eltern in Pizzo. Ich bin ihm nie begegnet.«
»Bist du dir da sicher?«
»Ja.«
»Und später? Während der Suche nach Rina?«
»Mein Onkel und meine Tante nahmen mich gleich mit nach Montelusa zurück, meine Eltern waren viel zu sehr mit der Suche beschäftigt, sie schliefen nicht mehr, sie aßen nicht mehr. Meine Verwandten wollten mir diese beklemmende Atmosphäre ersparen.«
»Und in jüngster Zeit?«
»Ich glaube nicht. Ich bin nicht zur Beisetzung gegangen, ich habe mir die Interviews im Fernsehen nicht angeschaut, nur eine Zeitung hat geschrieben, dass Rina eine Schwester hatte, aber dort stand nichts davon, dass wir Zwillingsschwestern waren.«
»Wollen wir mit dem Essen anfangen?«
»Gern. Warum hast du mich nach Spitaleri gefragt?«
»Das sag ich dir später.«
»Du hast mir gesagt, es gibt Neuigkeiten.«
»Auch darüber reden wir später.«
Sie aßen schweigend und sahen sich hin und wieder in die Augen, als Montalbano spürte, wie sich eins von Adrianas Knien gegen seine presste. Er öffnete sie leicht, und ihr Bein schob sich zwischen seine Beine. Danach setzte Adriana eins seiner Beine mit ihrem anderen gefangen und drückte es fest. Es war ein Wunder, dass der Commissario sich nicht am Wein verschluckte. Doch er fühlte, wie er rot wurde, und ärgerte sich über sich selbst. Dann zeigte Adriana auf die Meeresschnecken. »Wie isst man die?«
»Man muss sie mit dieser Spange herausholen, die ich zu deinem Besteck gelegt habe.« Adrianaversuchte es, aber es gelang ihr nicht. »Mach du das für mich.«
Montalbano holte die Schnecke mit der Spange heraus, Adriana öffnete den Mund und ließ sich füttern.
»Lecker. Noch eine.«
Jedes Mal, wenn sie die Lippen öffnete und auf die Meeresschnecke wartete, bekam Montalbano einen halben Herzinfarkt.
Die Flasche Wein war im Nu leer. »Ich geh noch eine holen.«
»Nein«, sagte Adriana und drückte sein Bein, das sie immer noch zwischen ihren Knien festhielt. Doch sie musste Montalbanos augenblickliche Verlegenheit, seine Verwirrung bemerkt haben. »Na gut, geh schon«, sagte sie und gab ihn frei. Als der Commissario mit der geöffneten Flasche zurückkam, setzte er sich nicht mehr auf seinen Stuhl, sondern neben Adriana.
Schließlich hatten sie zu Ende gegessen, und Montalbano räumte ab. Er ließ nur Flasche und Gläser auf dem Tisch stehen. Als er sich wieder setzte, hakte Adriana sich bei ihm unter und
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