Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
nach Fiacca gefahren, zu Freunden. Wer ist da?«
»Fazio ist daselbst am Ort. Soll ich ihn rufen?«
»Nein, ich gehe zu ihm.«
Fazio saß in einem Büro, in dem zwei Schreibtische standen. Der zweite war für einen gleichrangigen Mitarbeiter bestimmt, den es seit fünf Jahren nicht mehr gab und der auch niemals ersetzt werden würde - wegen Personalmangels, wie der Questore jedes Mal antwortete, wenn er, Montalbano, diesbezüglich eine schriftliche Anfrage an ihn richtete.
Fazio stand sprachlos auf, als er ihn hereinkommen sah. Es geschah nur selten, dass der Commissario ihn in seinem Büro aufsuchte.
»Buongiorno, Dottore. Was gibt's denn? Wollen Sie, dass ich zu Ihnen rüberkomme?«
»Nein. Ich will nur eine Anzeige erstatten, deshalb muss ich hierherkommen.«
»Eine Anzeige?«
Fazio war völlig irritiert.
»Ja. Ich muss einen Einbruchsdiebstahl anzeigen. Oder vielleicht einen versuchten Einbruchsdiebstahl. Sicher ist jedenfalls, dass der Einbruch stattgefunden hat. Und ein Bruch auch, nämlich der meiner Eier.«
»Ich verstehe nur Bahnhof, Dottore.«
»Bei mir zu Hause in Marinella sind Diebe eingebrochen.«
»Diebe?«
»Aber eigentlich waren es gar keine Diebe.«
»Keine Diebe?«
»Fazio, entweder hörst du auf, mir alles nachzuplappern, oder ich werde gleich ziemlich sauer. Jetzt mach einfach den Mund wieder zu und setz dich. Dann setze ich mich nämlich auch und erzähle dir die ganze Geschichte.«
Fazio setzte sich stocksteif hin.
»Also, eines Abends hat Signora Ingrid …«
Und er erzählte ihm vom ersten Einbruch der Diebe und vom Verschwinden der Uhr.
»Na ja«, sagte Fazio, »kommt mir vor wie die Tat von zwei Jungs, die sich den nächsten Schuss finanzieren müssen.«
»Es gibt noch einen zweiten Teil. Ist nämlich eine Fortsetzungsgeschichte. Gestern Nachmittag um drei kam Signora Ingrid mit dem Auto zu mir…«
Diesmal blieb Fazio stumm, nachdem der Commissario zu Ende erzählt hatte.
»Hast du gar nichts dazu zu sagen?«
»Ich habe noch nachgedacht. Sieht so aus, als hätten sie beim ersten Mal die Uhr gestohlen, damit es nach einem Diebstahl aussieht. Aber was sie eigentlich suchten, haben sie nicht gefunden. Als sie noch mal zurückgekehrt sind, haben sie beschlossen, mit offenen Karten zu spielen, und Ihnen die Uhr wieder zurückgebracht. Vielleicht bedeutet die Rückgabe der Uhr aber auch, dass sie doch gefunden haben, wonach sie suchten, und dass sie jetzt nicht mehr zurückkommen werden.«
»Aber das wissen wir nicht mit Sicherheit. Eines allerdings ist sicher: Sie stehen unter Druck, offenbar müssen sie das Gesuchte schnell finden. Und wenn sie es nicht gefunden haben, werden sie es vielleicht nachher noch einmal probieren oder in der Nacht oder spätestens morgen.«
»Mir ist da was eingefallen«, sagte Fazio. »Sag schon.«
»Sind Sie sich ganz sicher, dass man Sie beobachtet?«
»Zu neunzig Prozent.«
»Wann verlässt Ihre Haushaltshilfe das Haus?«
»Gegen halb eins, Viertel vor eins.«
»Können Sie sie anrufen und ihr sagen, dass Sie zum Mittagessen nach Hause kommen?«
»Ja, natürlich, aber warum?«
»Sie gehen zum Essen nach Hause, also wird in dieser Zeit niemand einbrechen. Um drei komme ich mit einem Dienstwagen vorbei. Ich stelle die Sirene an und mache ein Riesentamtam. Sie kommen schnell herausgelaufen, steigen ins Auto, und dann fahren wir los.«
»Wohin fahren wir denn?«
»Wir statten den Tempeln einen Besuch ab. Wenn die Sie im Auge behalten, dann denken die sich, ich bin gekommen, um Sie wegen eines Notfalls abzuholen. Und machen sich umgehend zu schaffen.«
»Und weiter?«
»Die, die Sie beobachten, wissen nicht, dass Galluzzo in der Nähe ist. Ich schicke ihn gleich dahin und erkläre ihm die Situation.«
»Aber Fazio, es ist doch nicht notwendig, dass…«
»Ich bitte Sie, Dottore. Diese Geschichte überzeugt mich nicht und sie gefällt mir auch nicht.«
»Aber hast du denn eine Ahnung, was die suchen?«
»Wenn Sie es schon nicht wissen, Dottore, wie sollte dann ausgerechnet ich es wissen?«
»Wann beginnt der Prozess gegen Giacomo Licco?«
»Ich glaube, in einer Woche. Warum fragen Sie mich das?« Giacomo Licco war vor einiger Zeit von Montalbano verhaftet worden. Er war ein kleiner Mafioso, ein Eintreiber von Schutzgeldern. Eines Tages hatte er einem Ladenbesitzer in die Beine geschossen, der sich geweigert hatte zu zahlen. Aus lauter Angst blieb der Ladenbesitzer bei der Behauptung, ein Unbekannter hätte auf ihn geschossen.
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