Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
angerufen?«
Montalbano legte auf.
Sein erster Gedanke war, dass Giovanni Alfano mit Sicherheit auf samtenen Pfoten vom heimischen Herd davongeschlichen war, um das einmal so zu formulieren, dass Dottor Lattes seine Freude daran hätte. Der hatte nach alldem heute hier und morgen dort zu Wasser und zu Lande ganz sicher in irgendeinem Hafen eine andere Frau kennengelernt. Vielleicht eine weizenblonde Wikingerin, die nach Wasser und Seife roch, weil er vom dunklen, zimtduftenden, kolumbianischen Fleisch genug hatte.
Und es war ja durchaus möglich, dass er jetzt glücklich und zufrieden in den Fjorden der Nordsee herumsegelte. Das war’s dann eben, ciao und auf Wiedersehen. Wie sollte man den denn jetzt noch schnappen?
Das hatte er sich schön zurechtgeplant, dieser Herr Kapitän der langen Routen!
Er war nicht zur Anheuerung erschienen, hatte Camera eine Karte geschickt mit der ausgedachten Geschichte von der besseren Arbeit, die er gefunden hätte. Er hatte sein Handy einem Freund geschenkt und ihm gesagt, er solle für den Fall, dass seine Frau anrufe, so tun, als wäre er Alfano. Außerdem hatte er ihn gebeten, nach etwa zwei Monaten in seinem, Alfanos, Namen eine Postkarte an Dolores zu schicken. Auf diese Weise hätte er einen schönen zeitlichen Vorsprung herausgeschlagen, bevor seine Frau begreifen konnte, dass er sich davongemacht hatte, und die sinnlose Suche in Gang setzte.
Und was sollte er jetzt tun? Unverzüglich in der Via Guttuso Nummer zwölf auftauchen, anklopfen und der Leopardin mitteilen, dass sie Witwe geworden sei, wenn auch nur eine stroherne?
Aber wie reagieren Leopardinnen, wenn sie erfahren, dass ihr Leopard sie verlassen hat? Kratzen sie? Beißen sie? Und was, wenn diese hier ihm weinend in die Arme sinken würde und getröstet werden wollte? Nein, dieser Plan war zu gefährlich.
Vielleicht war es besser, sie anzurufen.
Aber kann man solche Dinge denn überhaupt am Telefon mitteilen? Montalbano wusste genau, dass er sich spätestens auf halber Strecke fürchterlich verhaspeln würde. Nein, sicherer wäre, ihr eine Nachricht zu schreiben. Und ihr den Rat zu geben, dass sie sich, noch bevor sie Anzeige erstattete, an Chi l’ha visto wenden sollte, jene Fernsehsendung, in der man nach vermissten Personen suchte und sie oftmals schon gefunden hatte, ehe die Polizei sich überhaupt in Bewegung gesetzt hatte.
Aber wäre es nicht noch viel besser, alles auf morgen zu verschieben?
Ein Tag mehr oder weniger änderte doch nichts. Im Gegenteil. Auf diese Weise hätte Signora Dolores noch eine ruhige Nacht gewonnen.
Auf morgen also, beendete er seine Gedanken, auf morgen.
Er wollte gerade aus dem Zimmer gehen, um nach Marinella zu fahren, da traf Fazio ein. Seinem Gesicht war anzusehen, dass er etwas Bedeutsames mitbrachte. Er wollte schon zum Sprechen ansetzen, doch dann veränderte sich seine Miene unversehens, denn er hatte die Kratzspuren auf Montalbanos Arm bemerkt.
»Himmel! Warum haben Sie sich denn so gekratzt? Haben Sie das schon desinfiziert?«
»Das war nicht ich«, sagte Montalbano leicht verlegen und krempelte sich die Hemdsärmel herunter. »Und die müssen auch nicht desinfiziert werden.«
»Wer war’s denn dann?«
»Lieber Himmel, bloß kein Aufstand jetzt! Ich sag’s dir später. Red du jetzt.«
»Also. Zuallererst, Pecorini hat sich an keine Agentur gewandt, um die Villa zu vermieten. Ich habe alle angerufen. Allerdings hat Signor Maiorca, der Inhaber einer dieser Agenturen, gesagt, als er den Namen Pecorini am Telefon hörte: ›Wer, der Metzger?‹ – ›Kennen Sie ihn?‹, habe ich gefragt. ›Ja.‹ Also bin ich zu ihm gefahren, um persönlich mit ihm zu sprechen.«
Er zog einen Zettel aus der Tasche und wollte gerade irgendetwas verlesen, doch Montalbanos mordlüsterner Blick hielt ihn davon ab.
»Schon gut, schon gut, Dottore, keine Meldedaten, nur das absolut Notwendigste. Dieser Pecorini, für den Sie sich interessieren, ist ein Mann um die fünfzig, der mit Vornamen Arturo heißt. Bis vor zwei Jahren lebte er in Vigàta und arbeitete hier als Metzger. Danach ist er nach Catania umgezogen, wo er eine riesige Metzgerei am Hafen eröffnet hat, in unmittelbarer Nähe des Zolls. Passt, oder?«
»Sieht so aus. In Vigàta hat er nur die Sommervilla behalten?«
»Nein, Dottore. Er hat hier auch noch eine andere kleine Villa, in der er sonst immer gewohnt hat, aber im Ort, in der Via Pippo Rizzo.«
»Weißt du, wo diese Straße ist?«
»Ja, Dottore, in dem
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