Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
weil er so tat, als würde er etwas hineinschreiben.
»Ja, sehr«, sagte Dolores.
»Also gut, während seines letzten Aufenthalts hier, denken Sie noch einmal genau nach, Signora Dolores, hatte da diese, nun ja, Intensität vielleicht ein kleines bisschen nachgelassen? Hatte es da eine wenn auch nur geringe Abkühlung gegeben, die Anlass … Was ich sagen will, hatte sich denn rein gar nichts verändert im Vergleich zu den anderen Malen, als …?«
Sie drückte fest sein Knie. Und die Wärme ihrer Hand schoss von dort aus wie ein Pfeil gerade so weit den Schenkel hinauf, wie nötig war, um einen ziemlich delikaten Punkt der Anatomie des Commissario zu treffen. Nur unter größter Beherrschung gelang es ihm, nicht völlig unvermittelt aufzuspringen.
»Etwas hat sich schon verändert«, sagte sie mit so leiser Stimme, dass Fazio sich vorbeugte, um sie zu verstehen.
»Aber beim letzten Mal haben Sie mir genau das Gegenteil gesagt«, beeilte sich der Commissario anzumerken.
»Na ja … weil Giovanni, nun ja, er war … verändert … was aber auch nicht das richtige Wort ist, und schon gar nicht in dem Sinn, wie Sie meinen …«
»Wie denn dann?«
Warum nahm sie nicht endlich diese verflixte Hand von seinem Knie?
»Na ja, er war wie ein … Verhungernder. Er bekam nie genug. Zwei- oder dreimal, wir waren gerade mit dem Essen fertig, hat er mir kaum Zeit gelassen, ins Schlafzimmer zu gehen … Und er bat mich, Dinge zu tun, die er vorher nie …«
Als wäre er ganz plötzlich kurzsichtig geworden, hielt Fazio sich das Notizbuch vor die Augen, um sein errötendes Gesicht zu verbergen. Dolores’ Handfläche hatte bei der Erinnerung an das eheliche Liebesleben zu schwitzen begonnen, und Montalbano spürte die Feuchtigkeit durch den Hosenstoff.
»Vielleicht sollte ich Ihnen ein paar Details erzählen, dann könnten Sie besser verstehen, bis zu welchem Punkt …«
»Nein! Keine Details!«, schrie Montalbano beinahe und fuhr schlagartig hoch.
Er konnte nicht mehr, diese Hand brachte ihn an den Rand des Wahnsinns.
Dolores sah ihn völlig überrascht an. War es denn möglich, dass sie sich der Auswirkung ihrer Worte und ihrer Hand auf einen Mann tatsächlich nicht bewusst war?
»Also gut, Signora, betrachten wir dieses Kapitel als abgeschlossen. Hatte ihr Gatte Feinde?«
»Commissario, von dem Leben, das mein Mann führte, weiß ich nur, was er mir erzählt oder geschrieben hat. Er hat mir gegenüber niemals etwas von Feinden erwähnt. Sicher, manchmal sprach er von Meinungsverschiedenheiten, die er mit anderen Offizieren oder mit Männern der Besatzung hatte, aber das waren Lappalien.«
»Und hier in Vigàta?«
»Giovanni hat inzwischen nur noch ganz wenige Freunde in Vigàta! Als Junge ist er mit seinen Eltern nach Kolumbien gegangen, er hat dort studiert, und dann, nachdem sein Vater gestorben war, hat ihn ein Verwandter aus Vigàta so lange unterstützt, bis er zum ersten Mal angeheuert wurde. Er hat mehr im Ausland gelebt als hier in Vigàta.«
»Kennen Sie die Namen und Adressen dieser Freunde?«
»Selbstverständlich.«
»Geben Sie sie Fazio. Als Giovannis Vater starb, kannten Sie beide sich da schon?«
Bei der Erinnerung daran erschien ein beinahe unmerkliches Lächeln auf ihrem Gesicht.
»Ja, seit drei Monaten. Er kam in Papas Praxis und …«
»Schon gut, schon gut. Wann hätte Ihr Gatte anheuern sollen?«
»Am vierten September.«
»Und wo?«
»In Gioia Tauro.«
»Wann ist er von hier losgefahren?«
»Am Tag vorher, dem dritten, am frühen Morgen.«
»Und wie?«
»Im Auto.«
»Einen Augenblick. Das bedeutet doch, dass er am Abend des dritten mit Sicherheit in Gioia Tauro war. Wir brauchen also nur nachzusehen, in welchem Hotel er abgestiegen ist. Und was er dort gemacht hat.«
»Hören Sie, Commissario, es war alles ganz anders. Wir sind an jenem Morgen zusammen dorthin gefahren, mit meinem Wagen. Wir kamen am Abend an und sind dann gleich zu seinem Apartment gegangen.«
»Zu seinem Apartment?!«
»Ja, er hatte dort seit zwei Jahren ein Apartment mit zwei Zimmern und Bad zur Miete.«
»Und warum?«
»Wissen Sie, Giovanni hatte oft nicht genug Zeit, hierher zu mir zu kommen, weil er nur für zwei oder drei Tage im Hafen blieb … Dann gab er mir Bescheid, und wenn er an Land ging, war ich immer schon da und habe auf ihn gewartet.«
»Ich verstehe. Und an jenem Abend des dritten September, was haben Sie da gemacht?«
»Wir haben zu Abend gegessen
Weitere Kostenlose Bücher