Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
neben ihn, und zwar so dicht, dass ihr Schenkel den des Commissario berührte.
Es musste wohl ein Tag Ende August gewesen sein, ein Tag mit einem ganz besonderen Licht. Zwei oder drei Fotos zeigten Dolores im Bikini. Montalbano spürte, dass der Berührungspunkt zwischen seinem Körper und dem der Frau zu schmelzen begann. Er rückte ein bisschen ab, doch sie rückte gleich nach. War das Absicht oder brauchte sie einfach nur immer Körperkontakt mit einem Mann?
»Hier ist Giovanni zum Beispiel gut getroffen«, sagte Dolores und nahm ein Foto in die Hand.
Er war ein gut aussehender Mann in den Vierzigern, großgewachsen, braune Haare, intelligente Augen, ein offenes Lachen.
»Ja, das nehme ich«, sagte der Commissario. »Denken Sie bitte daran, Fazio die Daten Ihres Mannes zu geben, wann er geboren wurde, wo er …«
»Mach ich.«
»Und dieses schöne Haus, wem gehört das?«, fragte der Commissario, als er den Blick auf ein Foto warf, auf dem man Dolores, Giovanni und andere Personen auf einer großen Terrasse mit unglaublich vielen Pflanzen sah.
Er wusste sehr wohl, wem dieses Haus gehörte, doch er wollte es aus ihrem Mund hören.
»Ach, das gehört diesem Nennonkel meines Mannes. Er heißt Don Balduccio Sinagra.«
Und tatsächlich war auf dem Foto auch Don Balduccio zu sehen, in einem Liegestuhl sitzend.
Er lächelte. Doch sie nannte den Namen ganz beiläufig.
»Reicht das?«
»Ja.«
»Helfen Sie mir beim Aufräumen?«
»Ja.«
Sie nahm den Umschlag und hielt ihn auf. Er schob einen ersten Stapel Fotos hinein. Als er den zweiten und letzten hineingeschoben hatte, beugte sie sich leicht nach vorn, nahm seine rechte Hand und legte dann ihre Lippen auf seinen Handrücken. Der Commissario machte einen gewaltigen Satz nach hinten und drohte dabei der Länge nach rückwärts auf dem Bett zu landen. Doch Dolores presste ihre Lippen weiter auf Montalbanos Hand, als er mit einem Mal völlig kraftlos jeglichen Widerstand schwinden fühlte. Auf wie viel Grad mochte die Temperatur im Zimmer gestiegen sein?
Zum Glück hob Dolores den Kopf und schaute ihn an. Man konnte ertrinken in diesen Augen.
»Hilf mir. Ohne ihn bin ich … Bitte hilf mir.«
Montalbano befreite seine Hand, drehte Dolores den Rücken zu, ging ins Wohnzimmer und redete mit einer möglicherweise etwas zu lauten Stimme.
»Fazio, du nimmst jetzt die Anzeige auf. Lass dir von Signora Dolores die Liste mit den Namen der Freunde, die Anschrift in Gioia Tauro und die Schlüssel geben.«
Doch Fazio reagierte nicht.
Er starrte wie gebannt auf den Lippenabdruck dieser Frau, den ihr Lippenstift auf Montalbanos Hand hinterlassen hatte. Die Stigmata des heiligen Salvo. Wenn dieser auch sicher keine Jungfrau war, so war er doch ganz gewiss ein Märtyrer. Montalbano verbarg den Abdruck, indem er die andere Hand darüberlegte.
Dolores kam herein.
»Ich verabschiede mich, Signora. Ich glaube, wir müssen uns noch einmal sehen.«
»Ich begleite Sie«, sagte die Frau.
»Auf keinen Fall! Ich finde allein hinaus!«, sagte Montalbano und ergriff die Flucht.
»Macannuco? Montalbano hier.«
»Montalbano! Wie schön, dich zu hören! Wie geht’s dir?«
»Ganz gut. Und dir?«
»Erinnerst du dich noch an das Liedchen, das wir damals während der Ausbildung gesungen haben? Come sto e come non sto / sempre in culo lo piglierò. Ob gut, ob schlecht, ist ganz egal, der Arsch, der bin ich allemal. Daran hat sich nichts geändert.«
»Hör zu, Macannuco, ich muss dich um einen großen Gefallen bitten.«
»Für dich tu ich doch alles.«
Macannuco war der Chef des Kommissariats von Gioia Tauro, und das lag genau im Hafen. Montalbano erklärte ihm, was er brauchte.
»Versteh ich dich richtig, Montalbà? Du bittest mich gerade, die Tür eines Apartments in der Via Gerace fünfzehn aufzubrechen, die Zimmer zu fotografieren und dir noch heute die Fotos zuzumailen?«
»Ganz genau.«
»Ohne Durchsuchungsbeschluss?«
»Ganz genau.«
Fazio tauchte eine knappe halbe Stunde später auf.
»Heiligemuttergottes, was für ein Weib!«
»Hast du dir alle Informationen geben lassen?«
»Jawohl. Es waren aber nur drei Namen, die Freunde des Ehemanns.«
»Hör zu, Fazio, erzähl mir doch nochmal genauer die Geschichte von Balduccio und diesem Alfano, den er nach Kolumbien geschickt hat.«
»Ist Ihnen aufgefallen, Dottore, dass Signora Dolores immer nur von einem Nennonkel gesprochen und nie den Namen Balduccio Sinagra erwähnt hat?«
»Doch, ein Mal schon. Als wir in
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