Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
Sicherheit weniger Lärm. Also, was gibt’s?«
Catarella kam herein und legte vier Fotos auf den Schreibtisch.
»Die haben sie gerade ganz frisch aus Gioia Tauro geschickt, und ich habe sie ausgedruckt.«
Er ging wieder.
»Sie werden sehen, Dottore, der bringt’s fertig und holt das nächste Mal tatsächlich den Revolver raus und schießt, wie Sie’s ihm gesagt haben«, sagte Fazio besorgt. »Und dann ist der Teufel los.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Komm her und sieh dir die Fotos an«, sagte Montalbano.
Fazio stellte sich neben ihn.
Das erste Foto, welches das Schlafzimmer zeigte, war so aufgenommen worden, dass alles zu sehen war. Rechter Hand stand eine Tür offen, hinter der man das Badezimmer erkennen konnte. Ein Bett, das annähernd so groß war wie das, das die Alfanos in Vigàta hatten, ein Kleiderschrank, eine Kommode mit sieben Schubladen, zwei Stühle. Alles in perfekter Ordnung, außer dass eine Hose unordentlich über das Bett geworfen war.
Das zweite Foto zeigte eine Art Wohnzimmer mit einer Kochnische und Hängeschränken darüber. Da waren ein kleiner Tisch mit vier Stühlen, zwei Sessel, ein Fernseher, eine Anrichte und ein Kühlschrank. Neben dem Spülbecken sah man eine entkorkte Weinflasche, eine Bierdose und zwei Gläser.
Das dritte Foto zeigte das Badezimmer. Doch der Aufnahmewinkel war so gewählt, dass nur das Waschbecken, die Toilettenschüssel und das Bidet zu sehen waren. Es war unverkennbar, dass hier jemand vergessen hatte, die Spülung zu betätigen, nachdem er sein Geschäft verrichtet hatte: Die Toilettenschüssel war nämlich voll Scheiße.
Das vierte Foto war eine Großaufnahme von der Hose auf dem Bett.
»Hatte Signora Dolores denn nicht gesagt, sie habe alles ordentlich zurückgelassen?«, fragte Fazio. »Tja. Das heißt, dass jemand in der Wohnung war, nachdem sie weggefahren war.«
»Der Ehemann?«
»Könnte sein.«
»Allerdings in Begleitung. Da sind zwei Gläser.«
»Tja.«
»Was denken Sie, Dottore?«
»Jetzt gerade will ich an gar nichts denken.«
»Was machen wir?«
»Wir müssen diese Fotos umgehend Signora Dolores zeigen. Ruf sie gleich an und frag sie, ob sie herkommt oder wir zu ihr fahren.«
Signora Dolores ließ sie im Wohnzimmer Platz nehmen, nachdem sie sie ohne die Spur eines Lächelns empfangen hatte. Sie war offensichtlich nervös und vor allem neugierig zu erfahren, was die beiden Männer ihr zu sagen hatten. Sie fragte nicht einmal, ob sie einen Espresso oder sonst etwas trinken wollten. Montalbano überlegte hin und her. Sollte er ihr die Mitteilung ohne Umschweife machen oder erst ein wenig um den heißen Brei herumreden, weil das, was er ihr zu sagen hatte, für sie ganz sicher eine schlechte Nachricht war? Es war wohl besser, keine Zeit zu verlieren.
»Signora«, fing er an, »ich meine mich zu erinnern, dass Sie uns heute Vormittag gesagt haben, Sie würden in dem Apartment in der Via Gerace immer alles in Ordnung bringen, bevor Sie von Gioia Tauro wegfahren. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Und dass Sie keine Putzfrau haben.«
»Ich mache selbst sauber.«
»Also kommt niemand in die Wohnung, nachdem Sie aus Gioia Tauro weggefahren sind. Stimmt das?«
»Das scheint mir logisch, oder?«
»Noch etwas, Signora. Könnte Ihr Gatte Ihrer Meinung nach die Wohnung einem Freund überlassen haben, der sie brauchte? Einem Kollegen auf der Durchreise vielleicht, für einen kurzen Aufenthalt?«
»Während seiner Abwesenheit?«
»Ja.«
»Das schließe ich völlig aus.«
»Warum?«
»Weil Giovanni sehr eifersüchtig ist. Auf mich, auf seine Sachen, auf alles, was ihm gehört. Und da soll er seine Wohnung an …«
Sie unterbrach sich, denn sie sah, dass Montalbano Fazio ein Zeichen gab. Dieser reichte ihm den Umschlag, den er in der Hand gehalten hatte.
Der Commissario zog lediglich drei Fotos heraus und legte sie auf den Tisch. Das erste dieser drei war das Schlafzimmer, und Signora Dolores erkannte es sofort wieder.
»Aber das ist doch … Darf ich?«
»Selbstverständlich.«
Dolores nahm es, betrachtete es, sagte kein Wort, doch aus ihrem halb geöffneten Mund drang ein leises, langgezogenes Klagen. Danach schloss sie die Augen und stützte sich gegen die Rückenlehne, hielt das Foto aber weiter in ihrer Hand. Eine Weile verharrte sie so, ihre Brust hob und senkte sich unter ihrem stoßweise gehenden, keuchenden Atem. Sie wartete darauf, dass die Wirkung dessen, was sie gesehen hatte, nachließ. Dann atmete sie tief durch,
Weitere Kostenlose Bücher