Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
äußerte sich nicht dazu, sondern fragte Fazio:
»Wusstest du eigentlich, dass Dottor Pasquano bei der Obduktion des Toten vom Critaru herausgefunden hat, dass der ein Brücke verschluckt hatte?«
Fazio, der sich gebückt hatte, um die Wagentür aufzuschließen, hielt mitten in der Bewegung inne und sah ihn fassungslos an.
»Er hatte eine Brücke verschluckt?«, wiederholte er.
»Jawohl. Kurz bevor sie ihn umbrachten, hatte sich bei ihm eine Brücke gelöst, und er hat sie verschluckt. Doch er hatte keine Zeit mehr, sie zu verdauen.«
Fazio stand immer noch halb gebückt da.
»Und ich sage dir noch was: Diese Brücke wurde ganz ohne Zweifel von einem südamerikanischen Zahnarzt angefertigt. Und jetzt sag du mir: Was ist im Binsenkörbchen?«
»Ricotta«, antwortete Fazio automatisch.
Doch gleich danach richtete er sich unversehens auf, denn der Sinn von Montalbanos Worten hatte sich endlich den Weg in sein Gehirn gebahnt.
»Dann wäre ja … Dann wäre der Tote vom Critaru Ihrer Meinung nach …«
»Nicht meiner Meinung nach, sondern nach Matthäus wäre es Giovanni Alfano«, folgerte Montalbano. »Außerdem hast du selbst gesagt, dass Alfanos Daten ziemlich genau mit denen des Toten vom Critaru übereinstimmen.«
»Verflixt! Das stimmt! Aber entschuldigen Sie, wer ist dieser Matthäus?«
»Das sag ich dir später.«
»Aber warum hat man ihn umgebracht?«
»Weißt du, was Macannuco mir gesagt hat? Erstens, dass in der Wohnung in der Via Gerace sämtliche Fingerabdrücke nach allen Regeln der Kunst beseitigt worden sind.«
»Profis?«
»Sieht so aus. Zweitens, dass er in einer Art Zwischendecke im Badezimmer einen leeren Schuhkarton gefunden hat, der vorher mit Sicherheit Kokain enthalten hat.«
»Verflixt!«
»Genau. Und das bedeutet, dass trotz der strengen Beobachtung, der er unterstand, Alfano irgendwas mit Drogen zu tun hatte. Vielleicht war er ja ein Kurier.«
»Das kommt mir unwahrscheinlich vor.«
»Wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, die Fakten, von denen wir Kenntnis erhalten haben, führen uns zu dieser Schlussfolgerung. Da fragt man sich natürlich ganz unweigerlich, ob Giovanni Alfano nicht doch in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist und sich eines Tages seinem Arbeitgeber gegenüber nicht ganz korrekt verhalten hat.«
»Don Balduccio?«
»So sieht es aus. Und in Don Balduccios Augen wiegt die Beleidigung, die Giovanni Alfano ihm zufügt, schwer. Sie ist sozusagen unerträglich. Er, Giovanni, ist trotz des Verrats des Vaters immer als einer aus der Familie betrachtet worden, denn Balduccio hat ihn nicht nur nicht verworfen, sondern ihm sogar geholfen, während er in Kolumbien lebte. Giovanni ist mithin ein Verräter am eigenen Blut. Er muss sterben. Kannst du mir bis hierher folgen?«
»Ja. Sprechen Sie weiter.«
»Da ersinnt Don Balduccio einen genialen Plan. Er lässt ihn mit Dolores nach Gioia Tauro fahren, lässt ihn dann kidnappen und nach Vigàta zurückbringen, er lässt ihn umbringen, in Stücke zerlegen und in einen Sack stecken. Und er sorgt dafür, dass sich das Auffinden der Leiche verzögert, indem er so tut, als wäre Alfano an Bord gegangen. Der Plan wird exakt bis ins Detail ausgeführt, auch wenn Balduccio unterdessen in eine Klinik eingeliefert worden ist. Doch nach zwei Monaten wird Giovannis Frau argwöhnisch, sie kommt zu uns und erzählt uns von ihrem Verdacht.«
»Aber wozu dann das ganze Theater, dass man ihn in Stücke zerteilt und am Critaru vergräbt?«
»Hast du denn nie die Evangelien gelesen?«
»Nie, Dottore.«
»Das ist schlecht.«
Und er erzählte ihm die ganze Geschichte. Am Ende starrte Fazio ihn mit offenem Mund an.
»Dann ist das ja, als hätte Don Balduccio seine Unterschrift daruntergesetzt.«
»Richtig. Also schließt sich der Kreis, meinst du nicht?«
»Ganz sicher meine ich das. Und was machen wir jetzt?«
»Wir gönnen uns eine kleine Auszeit.«
»Und was ist mit Signora Dolores?«
»Es ist sinnlos, ihr jetzt etwas zu sagen … Wir würden ihr nur Schmerz bereiten, und sie kann uns auch nicht weiterhelfen. Sie kann ja nicht einmal die Leiche identifizieren, weil die völlig entstellt ist.«
»Dottore, ich denke gerade daran, dass der, der den anonymen Brief an die Antimafia geschrieben hat, alles wusste.«
»Tja. Und im passenden Augenblick spucken wir Musante ordentlich in die Suppe, der den Brief viel zu schnell als unwichtig abgetan hat. Doch bevor wir uns weiter an die Arbeit machen, lass mir einen Tag zum
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