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Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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anderen Zeiten wäre er möglicherweise wütend geworden oder hätte irgendetwas Ironisches gesagt. Jetzt dagegen nichts von alldem, nur Müdigkeit und Mutlosigkeit.
    Und während er auf den Hafen blickte, auf einen Dampfer, der gerade anlegte, auf die Möwen, die niedrig flogen, auf die abgetakelten Fischerboote, gesellte sich zu der Müdigkeit eine Melancholie, von der er einen Kloß im Hals bekam.
    »Macannuco ist am Apparat«, sagte Fazio und kam zur Balkontür, um ihm das Handy zu geben.
    »Montalbano hier. Hast du den Beschluss erhalten?«
    »Ja, danke.«
    »Ich wollte dich fragen, ob die Hose auf dem Bett schmutzig oder zerrissen war.«
    »Absolut nicht.«
    »Habt ihr Fingerabdrücke genommen?«
    »Nein.«
    »Wieso das denn nicht?«
    »Lieber Salvo, jemand hat sich alle Mühe gegeben, selbst den kleinsten Fingerabdruck verschwinden zu lassen. Eine perfekte Arbeit, nach allen Regeln der Kunst. Aber ich merke schon, du bist nicht im Geringsten überrascht. Hattest du damit schon gerechnet?«
    »Ja.«
    »Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich dich mit einer anderen Nachricht überraschen kann. In der Decke des Badezimmers, genau über dem Waschbecken, befindet sich eine Luke.«
    »Auf dem Foto, das du mir geschickt hast, sieht man die aber nicht.«
    »Weil das Foto aus einem anderen Winkel aufgenommen wurde. Gut, ich habe also eine Leiter genommen und diese Luke geöffnet. Sie dient als Zugang zu einer kleinen Zwischendecke. Dort befanden sich ein leerer Koffer und ein Schuhkarton.«
    »Sag mir einfach nur, ob ich mich jetzt über den Koffer oder über den Schuhkarton wundern soll.«
    »Über den Schuhkarton. Der war zwar auch leer, aber mir fiel auf, dass auf dem Boden die Spur eines weißen Pulvers war. Das habe ich untersuchen lassen.«
    »Kokain?«
    »Du sagst es. Deshalb musste ich auch den Ermittlungsrichter verständigen.«
    »Kann ich verstehen. Danke, Macannuco. Bis bald.«
    Er kam wieder herein. Fazio saß im Sessel. Dolores war noch nicht wieder aus dem Badezimmer zurück.
    »Was hat Ihnen Macannuco gesagt?«
    »Erzähl ich dir später.«
    Signora Dolores kam ins Wohnzimmer. Sie hatte sich gewaschen und umgezogen. Aber sie hatte nicht wieder zu ihrer Lebendigkeit zurückgefunden, ihre Bewegungen, ihr Gang, ihr Blick, alles wirkte irgendwie gedämpft. Sie setzte sich mit einem Seufzer.
    »Entschuldigen Sie, aber ich bin sehr müde.«
    »Wir gehen gleich, Signora«, sagte der Commissario. »Aber ich muss Ihnen zumindest noch eine Frage stellen, die für die Ermittlungen sehr wichtig ist. Ich weiß, dass es im Moment sehr schmerzvoll für Sie ist, an die Vergangenheit zu denken, aber glauben Sie mir, ich habe keine andere Wahl.«
    »Fragen Sie.«
    »Wie haben Sie Ihren Gatten kennengelernt?«
    Die Frage verblüffte Fazio, und er sah Montalbano völlig verdattert an. Signora Dolores dagegen verzog ihren Mund, bevor sie antwortete, als würde sie plötzlich einen stechenden Schmerz verspüren.
    »Er ist in die Praxis meines Vaters gekommen.«
    »In Bogotà?«
    »Nein, wir wohnten in Putumayo.«
    Putumayo. Das größte Zentrum für die Drogenherstellung in ganz Kolumbien. Filippo Alfano hatte sich am richtigen Ort niedergelassen.
    »Die Krankenschwester«, fuhr Dolores fort, »war für ein paar Tage nicht da, und Papà hatte mich gebeten, sie zu vertreten.«
    »Ihr Vater ist Arzt?«
    »Er war Zahnarzt.«
    »Und welche Behandlung brauchte Giovanni Alfano?«
    Sie lächelte bei der Erinnerung daran.
    »Er war vom Motorrad gestürzt. Papà musste ihm eine Brücke einsetzen.«
    Noch irgendwelche Fragen? Was ist im Binsenkörbchen? Ricotta. Wie viel ist dreißig und zwei? Achtundzwanzig. Seit mindestens einer halben Stunde wusste er, wer der Tote vom Critaru war. Doch jetzt taten ihm vor Erschöpfung die Beine weh. Er erhob sich schwerfällig aus dem Sessel. Fazio stand ebenfalls auf.
    »Ich danke Ihnen, Signora Dolores. Sobald ich irgendetwas Neues weiß, melde ich mich sofort bei Ihnen.«
    »Danke«, sagte Signora Dolores.
    Sie machte keine Szene. Sie kratzte ihn nicht, sie drehte ihm nicht die Hand um, sie packte ihn nicht am Revers. Würdevoll, zurückhaltend, nüchtern. Eine andere Frau. Zum ersten Mal empfand Commissario Montalbano aufrichtige Bewunderung für sie.
    »Diese Frau ist unglaublich!«, sagte Fazio bewundernd, als sie wieder auf der Straße waren. »Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie eine fürchterliche Szene macht, aber sie hat sich gehalten, wie es ein Mann kaum hinkriegt.«
    Montalbano

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