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Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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werden, weil er einem mehrfachen Mörder wie Balduccio zur Genesung verholfen hatte?
    »Allerdings«, fuhr Rechtsanwalt Guttadauro fort, »ist er hier und da nicht mehr so ganz klar im Kopf. Auf Augenblicke völliger Klarheit folgen, wie soll ich sagen, Augenblicke der Verwirrung, der Vergesslichkeit … Was für ein Unglück, Commissario! Dieser großartige Kopf!«
    Sollte er sich der Klage anschließen? Er entschloss sich, es nicht zu tun. Und er musste auch nicht einmal nach dem Grund des Anrufs fragen.
    »Nun gut, Avvocato, dann verabschiede ich mich jetzt und …«
    »Commissario, ich muss Sie im Namen meines Mandanten und Freundes um einen Gefallen bitten.«
    »Sofern ich kann.«
    »Er würde Sie überaus gerne sehen. Er hat mir gesagt, dass er, bevor er die Augen für immer schließt, den großen, sehr großen, den wirklich riesengroßen Wunsch hege, sich noch einmal mit Ihnen zu treffen. Sie kennen die Hochachtung, die er Ihnen entgegenbringt. Er sagt, Männer von solch unzweifelhafter Ehrenhaftigkeit wie der Ihren sollten …«
    … Innenminister werden, dachte Montalbano. Doch stattdessen sagte er:
    »Sicherlich könnte ich in den nächsten Tagen …«
    »Oh nein, Commissario, wahrscheinlich war ich nicht deutlich genug. Er möchte Sie sofort sehen.«
    »Jetzt?!«
    »Jetzt gleich. Sie wissen doch, wie die Alten sind, sie werden stur und launisch. Bereiten Sie ihm keinen Kummer, eine Enttäuschung ist für diesen armen alten Herrn … Wenn Sie die Tür Ihres Hauses öffnen, werden Sie einen Wagen sehen, der für Sie bereitsteht. Sie brauchen nur einzusteigen. Wir erwarten Sie. Es ist uns eine Freude, Sie alsbald wiederzusehen.«
    Sie legten gleichzeitig auf. Es war ihnen gelungen, eine Viertelstunde miteinander zu sprechen, ohne auch nur ein einziges Mal den Namen Balduccio Sinagra zu erwähnen. Er zog das Jackett an und öffnete die Tür. In der Dunkelheit sah man den Wagen, der schwarz sein musste, nicht. Doch der laufende Motor hörte sich an wie das Schnurren einer Katze.
    Rechtsanwalt Guttadauro öffnete ihm die Wagentür, brachte ihn in die Villa und führte ihn bis zu Don Balduccios Schlafzimmer. Es wirkte wie das Krankenzimmer in einem Hospital, es roch nach Medikamenten. Der alte Herr lag da mit geschlossenen Augen. Die Enden der Sauerstoffschläuche waren in seine Nase eingeführt, neben dem Kopfende stand eine riesige Flasche. Und neben der Flasche ein Mann von annähernd zwei Metern im Quadrat, eine Art Kleiderschrank auf Beinen. Guttadauro beugte sich über den alten Herrn und flüsterte ein paar Worte. Don Balduccio öffnete die Augen und streckte Montalbano eine durchsichtige Hand entgegen. Der drückte sie nur ganz leicht, aus Angst, dass diese Hand, wenn man sie auch nur ein wenig kräftiger drückte, zerbrechen würde wie Kristall. Dann gab Don Balduccio dem menschlichen Kleiderschrank ein Zeichen, woraufhin dieser unverzüglich eine Kurbel betätigte, die das Kopfende des Bettes leicht anhob, und dann Don Balduccio beim Aufsetzen behilflich war. Er brachte die Kissen im Rücken in die richtige Position, zog ihm die Schläuche heraus, drehte die Flasche zu, stellte einen Stuhl dicht ans Bett und ging hinaus.
    Guttadauro blieb stehen und stützte sich auf eine Kommode.
    »Ich schaffe es nicht mehr zu lesen, meine Augen taugen nichts mehr«, fing Don Balduccio an. »Und so lasse ich mir aus der Zeitung vorlesen. Wie es scheint, ist die Anzahl der vollstreckten Todesstrafen in den Vereinigten Staaten auf tausend angestiegen.«
    »Tja«, sagte Montalbano mit weltmännischer Lässigkeit, ohne sich angesichts eines derartigen Auftakts einer Unterhaltung verwundert zu zeigen.
    »Einen haben sie begnadigt«, mischte sich Guttadauro ein. »Aber das haben sie sofort wieder wettgemacht, indem sie in einem anderen Staat einen umgebracht haben.«
    »Sie, Commissario, sind Sie dafür oder dagegen?«, fragte ihn der alte Herr.
    »Ich bin gegen die Todesstrafe«, sagte Montalbano.
    »Ich hätte nie daran gezweifelt bei jemandem wie Ihnen. Ich bin ebenfalls dagegen.«
    Wie, dagegen? Aber die weit mehr als zehn Menschen, die er hatte umbringen lassen, hatte er die etwa nicht zum Tod verurteilt? Oder machte Don Balduccio einen Unterschied, je nachdem, ob er den Tod befahl oder ob das Gesetz ihn befahl?
    »Doch früher war ich dafür«, fügte der alte Herr hinzu.
    Jetzt machte der Satz mehr Sinn. Wie viele persönliche Henker hatte er in der Vergangenheit auf seiner Gehaltsliste geführt?
    »Später

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