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Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache

Titel: Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hatte: Er hatte den Namen seiner Schwiegertochter Dolores nicht einmal erwähnt. Und das hatte mit Sicherheit etwas zu bedeuten. Das Schweigen der Mafiosi ist oftmals beredter als jedes Wort. Ein weiterer Punkt: Balduccio war fest davon überzeugt, dass Giovanni den Brief nicht übergeben konnte, weil er Sizilien niemals verlassen hatte. Seiner Ansicht nach war er in Catania geblieben. Aber wie kam er dazu, das zu behaupten, wo doch der Beweis für Giovannis Anwesenheit in Gioia Tauro durch das Blut im Waschbecken gegeben war? Letzter Punkt: Indem Balduccio die ganze Angelegenheit als eine einzige »Scheiße« beurteilte und erklärte, dass er sich damit nicht beschäftigen wolle, übergab er die Sache dem Gesetz, und zwar aus einer ganz bestimmten, wenn auch unausgesprochenen Absicht heraus (die wahre Absicht hinter den Worten der Mafiosi war immer durch eine vermeintliche Hauptaussage verschleiert): Balduccio wollte, dass die Verantwortlichen für den Mord an Giovanni im Gefängnis landeten, nachdem ein öffentlicher Prozess den ganzen Schmutz und die ganze Grausamkeit ans Licht gebracht hatte. Hätte er sich darum gekümmert, würden die Schuldigen zwar ganz sicher dafür bezahlen, aber sie wären in aller Stille verschwunden und den Tod der lupara bianca gestorben. Mit einem Wort: In der Anwendung des Gesetzes kam eine raffinierte Form der Rache zum Tragen – der öffentliche Verriss.
    Kurz und gut, über Giovannis Tod hatte Balduccio in dem Augenblick Gewissheit, als er erfuhr, dass der Brief nicht überbracht worden war. Dieses Versäumnis war für ihn eindeutiger als ein klarer Beweis. Denn wenn man es genau bedachte, bestand diese ganze Geschichte aus Dingen, die im einen Augenblick vorhanden und im nächsten Augenblick verschwunden waren. Ein persönlich zu überbringender, aber nie ausgehändigter Brief. Ein Strauß Rosen, der bis zum Abend nicht abgeholt wurde. Der Staub auf dem Schränkchen in der Diele, den es dort nicht hätte geben sollen. Eine Mülltonne, die die Reste einer Mahlzeit hätte enthalten sollen, dann aber leer war. Eine Stromrechnung, die nicht bezahlt wurde. Eine blutverschmierte Spritze …
    Einen Moment, Montalbano! Stopp mal hier!
    Die Mülltonne in der Via Gerace war doch aus Plastik. Sicher? Sicher. Und wenn sie aus Plastik war, du Hornochse, konnte sie doch keinen Rost auf dem Boden haben. Was du gesehen hast, war kein Rost, sondern getrocknetes Blut! Blut, das aus der Spritze getropft ist, nachdem man sie in die Mülltonne geworfen hatte!
    Am Vormittag Esterina Trippodo anrufen.
    Nun erkannte er in aller Klarheit, welche Schachzüge von diesem Augenblick an unternommen werden mussten. Er schrieb weiter.
    Macannuco anrufen, ihn von allem in Kenntnis setzen und ihm vorschlagen, wie weiter zu verfahren ist.
    Kaum hatte er den Satz beendet, fühlte er sich etwas müde. Müde, aber zufrieden. Und er war überzeugt, dass er gleich einschlafen würde, sobald er sich hinlegte.
    Er wurde von Geräuschen aus der Küche aufgeweckt. Er sah auf die Uhr, es war halb zehn. Heiligemuttergottes, wie spät es schon war!
    »Adelina!«
    »Dutturi, was hab ich gemacht, hab ich Sie etwa geweckt? Sie haben geschlafen wie ein kleiner Engel!«
    »Machst du mir einen schönen Espresso?«
    Er stand auf, doch statt sich im Bad einzuschließen, ging er ins Esszimmer und wählte die Nummer der Telefonauskunft. Eine entsetzliche Frauenstimme antwortete ihm. Es handelte sich um eine Bandansage. Am Ende teilte ihm die Roboterin die Nummer mit, die er haben wollte. Ehe er sie wählte, trank er seinen Espresso. Bevor am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde, hatte er noch Zeit, das Siebener-, das Achter- und das Neuner-Einmaleins herunterzuleiern. Endlich hörte man eine Frauenstimme.
    »Hallo!«
    »Hallo, ist da Signora Esterina Trippodo?«
    »Wer soll denn verdammt nochmal sonst dran sein, wenn du mich in meiner Wohnung anrufst?«
    Immer die Anmut selbst, diese Frau!
    »Commissario Montalbano hier. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Aber sicher doch! Viva il re! Es lebe der König!«
    »Er lebe hoch! Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Signora.«
    »Zu Ihren Diensten. Wenn wir, die wir dieselbe Gesinnung teilen, uns nicht gegenseitig helfen …«
    »Ich möchte gerne, dass Sie die Mülltonne der Alfanos so wie sie ist an sich nehmen und in Ihre Wohnung holen. Bitte, reinigen Sie sie auf keinen Fall! Und nehmen Sie auch den Deckel nicht ab. Im Lauf des Tages kommt mein Kollege Macannuco zu Ihnen und holt

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