Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
eins mit einer Freundin eine Wellness-Nacht in der Meraner Therme gegönnt.«
Lissie schnalzte anerkennend mit der Zunge. »So was könnte ich auch mal wieder gebrauchen!«
Pavarotti schüttelte sich innerlich bei dem Gedanken an neunzig Grad Celsius. Die Temperatur in dieser Almhütte reichte ihm schon. Laut sagte er: »Ausgezeichnete Idee. Dann kannst du gleich mal an Ort und Stelle überprüfen, ob sich die Louisa irgendwie an der Zugangskontrolle vorbei nach draußen geschmuggelt und den Mord doch begangen haben könnte.«
Lissie war begeistert. »Wellness auf Kosten des italienischen Steuerzahlers? Da bin ich dabei!« Dann schaute sie auf die Uhr. »Du, wir müssen los, sonst schaffen wir es nicht mehr bis zur Leadner Alm und dann noch runter nach Hafling, bevor es dunkel wird. Hopp, hopp!«
Sie lachte, als sie Pavarottis Mienenspiel sah.
* * *
Auf einmal blieb Lissie mitten auf dem Weg stehen. »Ist dir klar, dass wir in unseren Tatszenarios eine Schlüsselperson in diesem Fall völlig außer Acht gelassen haben?«
Pavarotti schaffte es gerade noch, seinen Schritt zu bremsen, fast hätte er Lissie umgerannt. Vorsichtig ließ er sich auf einem Stein am Wegrand nieder und gab ein pfeifendes Japsen von sich. Seine Knie fühlten sich an, als seien sie innerlich wund gescheuert. Gerade hatten sie das steilste und schwierigste Stück beim Abstieg zur Leadner Alm hinter sich gebracht. Er war froh, dass Lissie ihm einen ihrer Wanderstöcke angeboten hatte. Mit seiner Hilfe konnte er einen Teil seines Körpergewichts abfedern. Ansonsten wäre er den steinigen und äußerst abschüssigen Bergpfad nie und nimmer heruntergekommen. Höchstens auf seinem gut gepolsterten Allerwertesten.
Pavarotti schielte zu Lissie hoch, die breitbeinig vor ihm stand. Dann sah er, dass der Weg in Sichtweite breiter wurde und in gekiesten Serpentinen abwärtsführte, und rappelte sich wieder auf.
»Kirchrather«, sagte Lissie. »Meiner Ansicht nach ist er eine ganz zentrale Figur in diesem Spiel. Außerdem hat er gelogen wie gedruckt.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«, knurrte Pavarotti. Wenn Kirchrather bei den Intrigen von Felderer und Niedermeyer gelogen oder das Ganze stark übertrieben hatte, dann standen die Beweise gegen Niedermeyer erneut auf tönernen Füßen. Lissie hatte ein Talent, vermeintlich gesicherte Erkenntnisse mit Lichtgeschwindigkeit zu pulverisieren und damit alles noch komplizierter zu machen, als es ohnehin schon war.
Als Lissie merkte, was er dachte, wedelte sie abwehrend mit ihrer Sonnenbrille. »Nee, die Geschichte, die Kirchrather uns auf der Wache erzählt hat, nehme ich ihm schon ab. Warum sollte er da lügen? Er ist doch mit der Immobiliensache sowieso nur widerwillig herausgerückt, um Schlimmeres zu verhindern, nachdem ich ihm die Zeitungsrecherche vorgeflunkert hab.«
Pavarotti konnte sich eines breiten Grinsens nicht erwehren, als Lissie ihm von dem Mittagessen in der Verdinser Klause erzählte. »Welche Lügen meinst du dann?«
Lissie schwenkte ihren Stock und stach mit ihm in die Luft. Sicherheitshalber blieb Pavarotti etwas zurück.
»Es ist nur so eine Ahnung. Ich glaub, der Kirchrather kennt denjenigen, der damals den Maulwurf für euch Italiener gespielt hat, ganz genau.« Entschuldigend hob sie die Schultern, als sie sah, dass Pavarotti bei den Worten »euch Italiener« zusammenzuckte. »Kirchrather wollte mir weismachen, es habe gar keinen gegeben. Oder er sei oben am Eisjöchl erschossen worden. Alles Blödsinn. Da oben ist schon einer erschossen worden, aber ganz bestimmt nicht dieser Spion.«
Pavarotti schloss wieder auf. »Hör jetzt endlich auf, so geheimnisvoll zu tun, und erzähl, was wir auf dieser Alm wollen! Mir ist schon klar, dass das alles irgendwie mit Maulwürfen und Verrätern zu tun hat, aber nicht, warum das für unseren Fall relevant sein soll.« Er ächzte. Hoffentlich waren sie bald am Ziel. »Ich will jetzt wissen, warum du mich hier heraufschleppst!«
Lissie grinste. »Auf der Hütte ist jemand, der den Maulwurf im Befreiungsausschuss Südtirol auch kennt. Übrigens, weißt du überhaupt, wer das war – der Befreiungsausschuss?«
Pavarotti stieß einen Grunzlaut aus. »Du brauchst mir in dieser Hinsicht keinen Geschichtsunterricht zu erteilen. Mein Vater war damals in die Prozesse gegen die Attentäter involviert. Nicht in vorderster Reihe, aber er war einer von mehreren Dutzend ermittelnden Staatsanwälten.«
Lissie war stehen geblieben und starrte
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