Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
anderen Verdächtigen, also zum Beispiel mit der Familie des Toten, zu beschäftigen, unter anderem mit diesem grässlichen Vater. Er krümmte sich innerlich, wenn er bloß daran dachte. Und jetzt kam auch noch Lissie mit ihren Zweifeln.
Lissie atmete tief ein und fing an, mit den Fingern abzuzählen. »Erstens: Womit hat er ihn denn erschlagen? Er ging ja bloß aufs Klo. Wenn er irgendwas dabeigehabt hätte, das als Mordwaffe in Frage kommt, wäre das Topolini ja wohl aufgefallen, oder nicht? Und zweitens: Um irgendwas Geeignetes vorher draußen zu deponieren, hatte er doch gar keinen Grund! Deiner Theorie nach wusste er noch nichts von den Fotos und auch nicht, dass er Felderer treffen würde!«
Pavarotti unterbrach sie mit einer unwirschen Handbewegung. »Stopp! Das sind alles nur Annahmen. Vielleicht wusste er doch schon von den Fotos. Und die Verabredung Topolinis mit Felderer kann Niedermeyer mitbekommen haben. Es ist gut möglich, dass er zur fraglichen Zeit ebenfalls im Café Hilti gesessen hat. Dann war es halt kein zufälliges Aufeinandertreffen, sondern Niedermeyer ging absichtlich zum Klo raus, um Felderer abzupassen.«
Lissie winkte ab. »Nein, das ergibt keinen Sinn. Niedermeyer konnte schließlich überhaupt nicht wissen, wann Felderer in der Weinstube auftauchen würde. Nicht mal Topolini wusste das. Ich glaube ganz was anderes: Niedermeyer ist schlicht und einfach auf den Abort hinaus und hat den Toten gefunden. Er wollte wegen seiner Streitereien mit Felderer keinesfalls in die Geschichte verwickelt werden, hat Panik gekriegt und beschlossen, den Mund zu halten. Er hat sich Felderers Blackberry geschnappt, ist wieder in die Weinstube rein und hat sich dann, so schnell es ging, dünn gemacht.«
»Und warum hat er sich das Handy geschnappt?«, wollte Pavarotti süffisant wissen.
Lissie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht damit nicht rauskommt, dass er Felderer mit dem Vertrag erpresst hat. Der war ja schließlich im Handy gespeichert. Oder du hast in dem Punkt recht, und der Niedermeyer hat doch schon von den Fotos gewusst.« Lissie überlegte. »Was ist eigentlich mit dem Kerzenwachs in einem der Klohäuschen? Damit kann Niedermeyer unmöglich etwas zu tun haben. Dafür muss es eine andere Erklärung geben, und bevor wir die nicht haben, fehlt uns ein wichtiger Mosaikstein für die Lösung!«
Pavarotti zuckte die Schultern. »Ist doch gar nicht gesagt, dass diese Kerzensache irgendetwas mit dem Mord zu tun hat. Der Zeitfaktor kann reiner Zufall sein. Vielleicht handelt es sich um eine Wette, eine Verrücktheit irgendeines blöden Esoterik-Clubs, eine schwarze Messe oder sonst irgendwas. Das beweist gar nichts.«
Während er sprach, hatte Lissie die ganze Zeit den Kopf geschüttelt. »Nein, das glaube ich nicht. Dieses Wachs ist kein Zufall. Ich glaube nicht, dass unser Mörder aus der Kneipe kam und Karl Felderer draußen getroffen hat. Ich bin überzeugt, dass der Täter in diesem Klohäuschen gesessen und auf sein Opfer gewartet hat.« Und nach einer Kunstpause fügte sie triumphierend hinzu: »Ich war neulich dort. Die Tür hat ein kleines Astloch. Dadurch hatte unser Mörder eine prima Aussicht auf den Hintereingang der Weinstube. Du siehst, es passt alles zusammen!« Lissie war sichtlich begeistert von ihrem Tatszenario.
Der Commissario wischte sich mit einer übrig gebliebenen Serviette über die schweißnasse Stirn. Das mit dem Astloch stimmte, er hatte es selbst gesehen. Trotzdem.
»Lissie, deine ganze Theorie hat einen Fehler. Wenn eine der beiden Toiletten dauerbesetzt gewesen wäre, hätte doch bestimmt ein Gast, der aufs Klo musste, mal Alarm geschlagen, oder?«
Lissie wehrte ab. »Unsinn, wieso denn? Solange eins der Klos frei ist, gibt es doch keinen Grund, sich groß zu wundern. Man benutzt eben das freie Klo und fertig.« Und nach kurzem Überlegen fügte sie an: »Der Mörder hat gewusst, dass Felderer irgendwann an diesem Abend in der Renzinger Weinstube aufkreuzen würde. Und deshalb hat er sich in der Toilette verbarrikadiert und auf sein Opfer gewartet.«
Pavarotti seufzte. »Meinetwegen, damit du Ruhe gibst. Dann lass uns mal überlegen, wer dafür in Frage kommt. Nur mal rein theoretisch.«
Lissie dachte nach. »Was hältst du von der Greta? Sie hat selbst erzählt, dass sie an dem fraglichen Nachmittag zum Shoppen in der Innenstadt war. Wollen mal sehen. Die Niedermeyerin sitzt im Café Hilti, völlig am Boden zerstört, weil Felderer Nacktfotos
Weitere Kostenlose Bücher