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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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Bäuerin nach einer ganzen Weile – welche Ausmaße hatte diese Speisekammer eigentlich? – mit ihren Tippelschritten wieder in der Küche auftauchte, schleppte sie eine riesige Kuchenplatte, auf der Dutzende von rundlichen, mit Puderzucker bestäubten Teilchen angeordnet waren, die wie zerzauste, bräunlich weiße Wollknäuel aussahen. Das Gebäck verbreitete einen starken Geruch nach dem Fett, in dem es herausgebacken worden war. Gar nicht unangenehm, wie Pavarotti fand. Lissie war anscheinend ganz anderer Meinung. Er merkte, dass sie weiter vom Tisch abrückte.
    Als Liebhaber von Süßspeisen jeder Art wusste Pavarotti, um welches Gebäck es sich handelte, und beschloss, sich seine Kenntnisse zunutze zu machen. Er ahnte, dass die Frau deshalb Angst vor ihm hatte, weil er Italiener war, noch dazu was Amtliches. Jetzt kam es auf den richtigen Kniff an, ansonsten würde die alte Dame ihre hilflose Verzögerungstaktik wohl nicht so schnell aufgeben.
    Er schnupperte an den Teigteilchen und roch neben Fett und Puderzucker auch frische Preiselbeeren und eine ordentliche Portion guten, reinen Zwetschgenschnaps heraus. Dann biss er in eine der Kugeln hinein. Heißer, mit Alkohol getränkter Preiselbeerquark verteilte sich in seinem Mund und floss ihm über seine Lippen, sodass er mit der Zunge nachhelfen musste.
    »Mmm, wunderbar«, machte er. »Frau Loipfertinger, darf ich fragen, ob Sie Ihre Meraner Strauben mit Selbstgebranntem machen? Ich habe den Eindruck, dass das Aroma ganz besonders mild ist, so einen bekommt man sicher nicht in jedem Laden, oder?«
    Die Loipfertingerin hielt in ihrer Flucht zur Anrichte plötzlich inne, als ob Pavarotti sie mit einem Lasso eingefangen hätte, und ließ sich auf eine Fachsimpelei über Rezeptvarianten ein.
    Nachdem sie große Steinguttassen mit Kaffee gefüllt und zu ihnen hinübergeschoben hatte, zögerte die Alte noch einen Sekundenbruchteil, setzte sich dann aber endlich zu ihnen an den Tisch. Sorgfältig strich sie ihre Schürze glatt und schaute ihre Besucher erwartungsvoll an. Offenbar war die Frau zu dem Schluss gekommen, dass einer, der Mehlspeisen so liebte wie Pavarotti, kein so furchtbar schlechter Mensch sein konnte.
    Lissie merkte, dass es an der Zeit für ihren Einsatz war. Sie rutschte auf dem Sofa nach vorn und sagte: »Frau Loipfertinger, bitte erzählen Sie jetzt dem Commissario, was Sie mir neulich Nacht gesagt haben.«
    Die alte Frau zuckte mit den Achseln. »Das ist alles so lange her. Ich glaub nicht, dass das heute noch was nützt. Außerdem …« Sie warf Pavarotti einen zweifelnden Blick zu.
    Lissie setzte schnell nach: »Sie brauchen sich wegen des Commissarios keine Sorgen zu machen. Er ist schwer in Ordnung, und er hat ja mit damals nichts zu tun.«
    Doch Pavarotti legte Lissie die Hand auf den Arm, um sie zum Schweigen zu bringen. Er fand, dass die alte Frau, der sie zumuteten, dass alte Wunden wieder aufrissen, wenigstens die Wahrheit über ihn verdiente. Das war das Mindeste.
    »Was meine Freundin hier sagt, stimmt nur zum Teil«, fing er stockend an.
    Die Alte hob den Kopf und schaute aufmerksam zu ihm herüber, als wolle sie sich jedes Wort ganz genau einprägen.
    »Ich selbst war zwar zur Zeit der Bombenjahre noch ein kleines Kind, aber mein Vater hat sich damals als einer der ermittelnden Staatsanwälte die Hände schmutzig gemacht. Viel später, als mir das klar wurde, habe ich ihn gehasst dafür. Vor allem deshalb, weil er starrköpfig und stur geblieben ist, bis zu seinem Tod. Er hat nie eingesehen, dass damals viel Unrecht geschehen ist.« Pavarotti versuchte sich auf der unbequemen Bank aufrecht hinzusetzen und schaute der Loipfertingerin direkt ins Gesicht. »Jetzt wissen Sie Bescheid. Vielleicht bin ich deshalb Polizist geworden. Nicht um irgendwas wiedergutzumachen. Das geht wohl nicht. Aber um ein paar Dinge anders zu machen. Nicht dass ich da viel erreicht hätte bisher«, er grinste schief. »Aber ich bleibe dran.«
    Die Loipfertingerin nickte langsam. Sie stand auf, ging zum Küchenschrank und holte aus einer der beiden Schubladen eine Ledermappe hervor, die notdürftig mit einer Stoffschleife zusammengebunden war. Pavarotti sah, dass die beiden Bändchen nur noch aus verblichenen Faserresten bestanden.
    Mit gichtigen Fingern nestelte die Loipfertingerin unbeholfen an dem Gewirr herum. Als sie es endlich geschafft hatte, nahm sie zwei Fotos heraus und legte sie vor Lissie und Pavarotti auf den Tisch. Auf einem Foto war ein junger

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